Osterreichisch-preußische Zusammenkunft in Schönbrunn. 381
preußische Cabinet seit langer Zeit; aber daß sie bereits eine
so feste Gestalt gewonnen, daß sie sogar zu bindenden Er-
öffnungen an die Mittelstaaten geführt, davon hatte man in
Berlin keine Ahnung, und Bismarck wies einstweilen ganz
entschieden den Gedanken zurück, daß Osterreich zu einem so
offenen Bruche des Vertrags vom 16. Januar entschlossen
wäre. Es war nun verabredet, daß der König in Bismarck's
Begleitung den Karlsbader Besuch Franz Joseph's am
22. August in Wien erwidern würde, womit dann die Ge-
1genheit zu umfassender Aufklärung geboten war. In der
That fanden darauf während der drei Tage des Besuchs in
(Schönbrunn vertraute Erbrterungen aller schwebenden Fragen
zwischen den Monarchen und ihren Ministern Statt. Bei einer
Besprechung der allgemeinen europäischen Lage zeigte sich,
wie sehr die Besorgniß vor französischen Umtrieben die Ge-
müther der österreichischen Staatsmänner beherrschte, und
auch bei dem Kaiser trat mit besonderem Nachdrucke die Ab-
neigung und das Mißtrauen gegen Napoleon hervor. Nie-
mand kann sich auf ihn verlassen, sagte Franz Joseph, da
er bei jedem Unternehmen immer mehrere Zwecke neben ein-
ander verfolgt. In den deutschen Angelegenheiten betheuerte
der Kaiser das hohe Gewicht, welches er auf die Fortdauer
der preußischen Allianz lege, und Rechberg stimmte mit auf-
richtiger Wärme zu, wenn Bismarck ihm die Nothwendigkeit
einer gemeinsamen festen Leitung der gesammten deutschen
Politik erörterte: wobei denn freilich über die Art dieser
Leitung die Differenz zwischen den beiden Ministern unver-
kennbar hervortrat, daß Bismarck entschieden und kräftig,
Rechberg aber gewinnend und entgegenkommend vorzugehen
dachte. So zeigte es sich bei der noch am Bunde anhängigen