Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Dritter Band. (3)

Rußland für die dänischen Ansprüche. 41 
burg wie die Sünde; sie hätte höchstens dann ihm zugestimmt, 
wenn er die Einverleibung Schleswigs ihr zugesagt hätte; 
davon aber war der Herzog himmelweit entfernt und fest 
entschlossen, eine unter solchen Bedingungen gebotene Dornen- 
krone abzulehnen. Rußland aber sprach damals dem König 
Christian die Bereitwilligkeit aus, sein Programm zu unter- 
stützen, und erklärte sich überzeugt von den dänischen Beweisen, 
daß Augustenburg alle Ansprüche auf die Herzogthümer längst 
verwirkt habe. Natürlich genug. Denn je mehr Agnaten 
des bisher regierenden Stammes rechtlos wurden, desto näher 
rückte die Möglichkeit, daß bei Gelegenheit die Ansprüche des 
Hauses Gottorp, d. h. Rußlands, auf Kiel und weitere 
Stücke der Herzogthümer, ja selbst auf die SucMcession in 
ganz Schleswig-Holstein, aufleben könnten. 
Für den Dänenkönig war bei alledem die russische 
Zustimmung zur Zeit unschätzbar. Denn seine Lage wurde 
täglich schwieriger. Das einmüthige, feste Beharren der 
Herzogthümer auf ihrem alten Recht, die ungestümen Angriffe 
auf dieses Recht durch die Eiderdänen, steigerten gegenseitig 
die populäre Leidenschaft. Durch das Auftreten der deutschen 
Regierungen und die Erhebung der deutschen Volksstimmen 
stärkte sich die entschlossene Defensive in Schleswig-Holstein, 
und wuchs in gleichem Maaße die vorwärts drängende Wuth 
der Inseldänen. Immer näher rückte die Wahrscheinlichkeit 
eines gewaltsamen Ausbruchs auf beiden Seiten. Dabei war 
die Gesundheit des Königs schwankend seit längerer Zeit; in 
allen Gassen der Hauptstadt wurde laut erörtert, daß bei 
einem Thronwechsel dieses Mal die Volksfreiheit wahr- 
genommen, daß der neue Herrscher nur unter einer freien 
Verfassung den Thron besteigen, und dann das därische
	        
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