106 Osterreich und der Bundestag. 1865
Mehr als eine Depesche wurde dann noch mit wachsender
Gereiztheit über die Frage gewechselt; indessen gingen die
preußischen Arbeiten in der Kieler Bucht ihren Gang, und
Osterreich hielt es an dieser Stelle doch nicht für rathsam,
seiner Einsprache thatsächliche Folge zu geben. Aber das
Verhältniß zwischen den beiden Allürten wurde von Tag zu
Tag unerquicklicher. Wenn Bismarck sich über Halbhuber's
wachsende Schroffheit beschwerte, so erwiderte Mensdorff,
derselbe habe stets im Sinne seiner Instructionen gehandelt.
Dann wiederholten sich die preußischen Klagen über die
indiscreten Veröffentlichungen in der Wiener Presse, über die
von der österreichischen Botschaft ausgehenden gehässigen
Artikel in Pariser Zeitungen; Mensdorff hatte darauf nichts
Anderes als seinen alten Satz beizubringen, daß die Preß-
angelegenheiten nicht zu seinem Amtsbereich gehörten. Lassen
Sie, schrieb damals Bismarck an Werther, dem Grafen Mens-
dorff keinen Zweifel über unsere Geneigtheit zu einer Ver-
ständigung, aber auch darüber nicht, daß wir unsere Haltung
genau nach jener des Kaiserlichen Cabinets bemessen werden:
wir werden Alles aufbieten, um zu einem friedlichen Abschluß
zu gelangen, aber auch vor keiner Eventualität zurückschrecken,
wenn man uns dasjenige verweigern sollte, was wir zur
Sicherheit Preußens im Norden und zur Ausbildung unserer
Seemacht für nothwendig erachten.
Dem König Wilhelm wurde es sehr schwer, an eine
feindselige Gesinnung seines kaiserlichen Neffen zu glauben,
und noch schwerer, eine solche im eigenen Herzen aufkommen
zu lassen. Immer aber war auch er zur Aufrechthaltung
der großen nationalen Zwecke entschlossen, und verkannte nicht
die bedenkliche Lage: so ertheilte er seinem Minister die Voll-