1865 Preußische Aufträge an Goltz und Usedom. 107
macht, in Preußens europäischen Beziehungen auf alle Fälle
sich vorzusehen. Am 20. April gab Bismarck in zwei Depeschen
dem Grafen Goltz eine umfassende Ubersicht über die Verhält-
nisse, wies ihn zu genauer Nachforschung an, ob zwischen
dem Wiener und dem Pariser Cabinet eine Annäherung Statt
gefunden, und beauftragte ihn, den Kaiser Napoleon davon
zu überzeugen, daß allerdings die persönlichen Gefühle des
Königs, die Achtung vor den Verträgen, und der Wunsch,
Deutschland den Frieden zu erhalten, der preußiischen Politik
einen versöhnlichen Charakter gäben, daß aber, wenn diese
Rücksichten durch das Verhalten der Andern wegfielen, Prcußen
bei der sonstigen Gefährdung Osterreichs durch Ungarn und
Italien, und bei dem unzulänglichen Kriegswesen der Mittel-
staaten, keine Ursache hätte, den ihm aufgenöthigten Bruch
zu scheuen. Diese Erörterungen wurden am 21. April dem
Gesandten Grafen Usedom in Florenz mitgetheilt, mit der
Frage, wie nach Usedom's Ansicht Italien sich im Falle des
Bruchs verhalten, ob es für Preußen eingreifen, ob es vor-
her Frankreichs Zustimmung einholen, und wenn es geschähe,
ob es dieselbe erlangen würde. „Wir sehen, fügte Bismarck
hinzu, die hier vorausgesetzte Eventualität keineswegs als
nahe bevorstehend an; die Hoffnung auf eine Lösung der
schleswig-holsteinischen Frage im Einverständniß mit Öster-
reich geben wir nicht auf, aber die Möglichkeit des Gegen-
theils ist vorhanden. Es ist jedoch nicht unsere Absicht,
schon jetzt Erklärungen der italienischen Regierung zu pro-
vociren. Jede aufregende Anfrage wollen wir vermeiden.
Sie werden bei Ihrer Stellung in der Lage sein, sich selbst
ein Urtheil über die von Italien zu erwartende Haltung zu
bilden. Ich werde lieber diesem vertrauen und mich mit ver-