114 Esterreich und der Bundestag. 1865
wollte man nicht gehen. Denn, sagte Mensdorff in seiner
Depesche vom 11. Mai, sollten alle Prätendenten während
der Wahlen entfernt sein, so müßten ja auch die Commissare
und Truppen der beiden besitzenden Mächte das Land räumen,
was doch offenbar unthunlich wäre. Mit Interesse, schloß der
Graf, sehen wir weitern preußischen Mittheilungen entgegen.
Es war also, wie man sieht, vor der Eröffnung des
Landtags noch mehr als eine Vorfrage zwischen Wien und
Berlin zu erledigen. Indessen war bereits die Kunde von
diesen Verhandlungen sehr rasch in weitere Kreise gelangt
und hatte überall lebhafte Bewegung hervorgerufen. Die
französische Regierung zollte dem preußischen Vorschlag so
lauten Beifall, daß die aus der österreichischen Botschaft in-
spirirten Pariser Zeitungen ganz unbefangen für den Grafen
Mensdorff die Ehre der Erfindung in Anspruch nahmen; in
München erklärte Minister von der Pfordten seine Bewunderung
für Bismarck's staatsmännische Größe, die sich in diesem Vor-
schlag bekunde; dagegen in Hannover war man sehr ver-
stimmt über die Möglichkeit, daß Bismarck sich mit dem
Landtag über Augustenburg verständigen könnte. In Schles-
wig-Holstein selbst aber war der Eindruck für Preußens
Wünsche völlig ungünstig. Nach dem Bundesbeschlusse vom
6. April und Halbhuber's öffentlichem Protest gegen die
Kieler Hafenarbeiten glaubten wenige Menschen in den Herzog-
thümern noch an irgend einen Erfolg der preußischen Be-
strebungen. Anderes kam hinzu, um Zweifel an der eigenen
Festigkeit der Berliner Entschlüsse zu erwecken. Bei den
damaligen innern Kämpfen in Preußen war die Partei der
Krenzzeitung die einzige, welche das Ministerium in der
Armce= und der Budgetfrage unbedingt unterstützte, und