Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Vierter Band. (4)

1865 Abweisende Haltung Esterreichs. 117 
wollen, und habe so, wie geschehen, abgestimmt, weil Preußen 
bei seinen holsteinischen Anforderungen ohne Rücksicht auf 
Osterreich vorgehe. Er sei einverstanden, daß Osterreich und 
Preußen zur Führung in Deutschland berufen seien, könne 
deshalb aber nicht alle Rücksicht auf die Mittelstaaten aus 
den Augen setzen, die mit Unrecht als Prcußens Gegner an- 
gesehen würden. Lebhaft bedauere er die augenblickliche Er- 
kältung unserer Beziehungen, daran aber seien nur die un- 
berechtigten preußischen Forderungen Schuld. In Ermanglung 
eines Aquivalents für OÖsterreich könne von der preußischen 
Anncxion nicht die Rede sein. Die Bildung eines preußischen 
Vasallenstaats sei durch das Bundesrecht ausgeschlossen; wer 
auch immer österreichischer Minister wäre, würde außer Stande 
sein, dazu die Hand zu bieten. Um sie zu ermöglichen, 
würde eine Reform der Bundesverfassung vorausgehen müssen; 
eine solche aber sei aussichtslos, und die Erhaltung des bis- 
herigen Bundesrechts durchaus in Osterreichs Interesse be- 
gründet. So lange also Preußen auf jenen Forderungen 
beharre, würde es ein unfruchtbares Bemühen bleiben, wenn 
Osterreich Gegenvorschläge machte. Nur auf dem Wege 
gegenseitiger Concessionen wäre vielleicht eine Verständigung 
möglich. 
Es war die stolze Sprache, an die man bei der öster- 
reichischen Staatskanzlei gegen Rivale und Vasallen stets ge- 
wohnt war, und auch in diesem Falle, wie so häufig früher, 
steigerte sie ihren Ton, nicht im Bewußtsein überlegener Stärke, 
sondern zur Verdeckung der innern Verlegenheiten. Denn 
eben in diesen Tagen entwickelte sich für das Donaureich 
nicht bloß eine Minister-, sondern in engster Verbindung damit 
eine finanzielle und eine Verfassungskrisis. Wie wir sahen,
	        
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