118 Osterreich und der Bundestag. 1865
hatte Schmerling, nachdem der Absolutismus von 1850 durch
die italienischen Niederlagen zu Falle gekommen, dem Kaiser
Hoffnung gemacht, die Reichseinheit durch constitutionelle und
liberale Mittel zu befestigen, und die Centralregicrung durch ein
gemeinsames Parlament aller Kronlande zu stärken. Ictzt aber
zeigte sich auf der einen Seite, daß Minister und Reichsräthe
vereinigt nicht stark genug waren, den wachsenden Widerstand
Ungarns und das grollende Mißvergnügen der Croaten und
Czechen zu überwinden, und auf der andern, daß das Haus
der Abgeordneten, anstatt die Machtmittel der Regierung zu
vermehren, sie überall an ihre verfassungsmäßigen Schranken
erinnerte, mit Interpellationen und Resolutionen bedrängte,
und vor Allem bei den Geldfragen in fortdauerndem Gegen-
satze zu den Ministern stand. Die Finanzlage war allerdings
traurig; in jedem Jahre überstiegen die Ausgaben die Ein-
nahmen, und zeigte sich am Jahresschluß das Deficit noch
größer, als im Budget vorgesehen war. So hatten 18641
die Ausgaben den Voranschlag um sieben Millionen Gulden
überschritten, die Einnahmen aber waren um 20 Millionen
darunter zurückgeblieben. Die Regierung half sich, wie sie
konnte, leistete ohne Rücksicht auf die budgetmäßige Bestim-
mung der Gelder die nothwendigsten Zahlungen und blieb
bei weniger dringenden im Rückstand; der Reichsrath hatte
also Anlaß in Fülle zu der schneidigsten Kritik. Die Mehr-
heit erklärte wiederholt, daß an neue Steuern und weitere
Anleihe nicht zu denken, also kein anderer Ausweg als die
knappste Sparsamkeit sei. Ihre Abstriche trafen alle Ver-
waltungszweige und, wie man sich denken kann, an erster
Stelle den Militärctat, für welchen die Regierung 107 Mil-
lionen gefordert hatte, das Abgeordnetenhaus aber nur 79