120 Osterreich und der Bundestag. 1865
Mächten entsprechend vorbereiten. Bisher ist jede Einmischung
der Fremden in die schleswig-holsteinische Sache durch das
Zusammenhalten Osterreichs und Preußens vermieden worden;
dies Verhältniß verschwindet, wenn Osterreich sich zu uns in
Gegensatz bringt. Wir werden dies bedauern, aber wir müssen
uns darauf einrichten. Osterreich hat niemals Anstand ge-
nommen, in europäischen Fragen, ohne Rücksicht auf uns, die
Richtung einzuschlagen, die ihm für seine Interessen die nütz-
lichste erschien, und wie 1854 bei dem orientalischen Krieg,
so selbst 1863 bei dem polnischen Aufstande, trotz seiner nahe
liegenden, eigenen Interessen, eine offenbar nur durch seinen
Wunsch einer Annäherung an Frankreich motivirte Haltung
einzunehmen. Setzte das Wiener Cabinct trotz der Erfah-
rungen des letzten Jahres ein solches Benehmen fort, so
wären wir zu unserer eigenen Sicherung genöthigt, ebenso zu
verfahren: Preußen würde dies nicht schwerer finden, als
Osterreich. Es ist der wesentliche Zweck Ihrer Anwesenheit
in Wien, hierüber Klarheit zu erlangen, ob unsere Allianz
dort noch so weit geschätzt wird, um dieselbe durch die Ge-
währung unserer berechtigten Forderungen aufrecht zu er-
halten, oder ob die entgegenstehenden Tendenzen in Wien
bereits eine solche Stärke erlangt haben, daß wir den Bruch
für wahrscheinlich halten, und hienach zunächst unsere Haltung
in Schleswig-Holstein, dann aber auch unsere europäische
Gesammtpolitik bestimmen müßten. Wir wünschen die Ver-
ständigung, werden aber den Conflict nicht scheuen.“
Allerdings ließ es sich nicht verkennen, daß eine außer-
ordentliche Sendung mit solchen Aufträgen die Dinge sehr
leicht zur Krisis führen und nach Umständen die sofortige
Erklärung des Bruchs für Preußen zur Ehrensache machen