Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Vierter Band. (4)

1865 Abstimmungen der Minister. 123 
allerdings die Annexion als das stets zu erstrebende Ziel, 
gab jedoch anheim, ob man nicht für jetzt als erste Station 
des Weges am Februar-Programm festzuhalten habe. Der 
classisch gebildete Unterrichtsminister von Mühler widersprach 
dieser Auffassung: die Schutzherrschaft habe die Athener einst 
zum peloponnesischen Kriege geführt, die einfache Einverleibung 
sei besser. Der Justizminister Graf Lippe kündigte in gleichem 
Sinne an, daß nach dem demnächst vorzulegenden Gutachten 
der Kronjuristen weder Oldenburg noch Augustenburg be— 
gründete Ansprüche auf die Thronfolge in den Herzogthümern 
beibringen könnten. Der Minister für Landwirthschaft, 
Selchow, fand es bei dieser Sachlage gerathen, ohne langes 
Zaudern die Annexion zu begehren und durchzusetzen, worauf 
indessen Graf Eulenburg, der Minister des Innern, wieder 
in das Fahrwasser Roon's zurücklenkte, daß im Streben nach 
dem Besitze Schleswig-Holsteins zu beharren sei, die Annexion 
aber nicht sofort angekündigt zu werden brauche. Andrerseits 
warnte der Kronprinz vor den schweren Gefahren der Annexion 
und dem Unheil eines Kriegs mit Österreich, welcher Deutsch- 
land zerfleischen und die Einmischung der Fremden herbei— 
führen würde; alle diese Schwierigkeiten würden mit der 
Einsetzung des Erbprinzen von Augustenburg verschwinden, 
denn dieser sei durchaus preußisch gesinnt und zur An— 
nahme der Februar-Bedingungen bereit. Gegen dies groß- 
müthige Vertrauen erhob jedoch Graf Eulenburg nach der 
Erklärung des Erbprinzen vom 31. März mehrfache Bedenken, 
und Bismarck bemerkte, daß ein österreichischer Krieg nicht als 
Bürgerkrieg betrachtet werden könne; OÖsterreich habe seinerseits 
stets das französische Bündniß gesucht, und werde es in der- 
selben Stunde annehmen, in welcher Frankreich es bewilligte.
	        
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