Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Vierter Band. (4)

6 Der italienische Septembervertrag. 1864 
gabe des Standpunkts vom 10. September 1862, in Paris 
wieder im Cavour'schen Sinne eine Unterhandlung über den 
Abzug der Franzosen aus Rom zu versuchen, und ertheilte 
am 9. Juli 1863 dem Ritter Nigra den entsprechenden 
Auftrag. Indessen ging die polnische Verwicklung ohne einen 
europäischen Krieg vorüber; auf die Depesche vom 9. Juli 
kam keine Antwort aus Paris; die französische Besetzung 
Roms schien unwiderruflich. Dafür trat Napoleon mit 
seinem großen Congreßgedanken hervor, aus dem für Italien 
eine plötzliche Hoffnung auf den Erwerb Venedigs hervor- 
leuchtete, und der alle Gemüther für einen Augenblick in fieber- 
hafte Bewegung versetzte. Aber auch hier blieb die Erfüllung 
aus; denn auf eine hastige Anfrage in Paris und in London, 
ob man gegen Österreich losschlagen solle, kam von beiden 
Seiten her nur eine Mahnung zu Frieden und Entwaffnung. 
Es folgte der dänisch-deutsche Streit, und hier glaubte eine 
geraume Zeit hindurch ganz Italien an einen Bruch zwischen 
Frankreich und den deutschen Großmächten, und verdoppelte 
also seine Rüstungen, um im gegebenen Falle Osterreich 
mit voller Kraft im Rücken zu fassen. Wieder aber schien 
sich die am Horizonte aufsteigende Wetterwolke in Dunst 
aufzulösen, als Napoleon den englischen Antrag auf Unter- 
stützung Dänemarks ablehnte und seine Achtung vor der 
patriotischen Erregung des deutschen Volkes aussprach. In 
Turin war man der Verzweiflung nahe. Weder die römische, 
noch die venetianische Frage war der Lösung um einen Schritt 
näher gerückt; Osterreich schien in der Behauptung Venedigs 
besser als je durch seine preußische Allianz gedeckt; unter dem 
Schutz der französischen Bajonctte dehnte die bourbonische 
Wühlerei von Rom her den Brigantaggio über ganz Süd-
	        
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