1865 Immer schärferer Gegensaß. 133
In Berlin war man nicht wenig überrascht über diesen
Erlaß, nachdem Osterreich am 5. März in schroffer Weise
die (durch die preußischen Forderungen eröffnete) Phase der
Unterhandlung als hoffnungslos für abgeschlossen erklärt hatte.
Immer durfte man in der jetzt begehrten Wiedereröffnung der-
selben ein Zeichen entgegenkommendes Sinnes erkennen: Bis-
marck antwortete also am 16. Juni in freundlichstem Tone,
daß man auf den Erlaß vom 5. März nur deshalb nichts
erwidert habe, weil man nach der vollständigen Ablehnung
der preußischen Begehren positive Gegenvorschläge aus Wien
hätte erwarten müssen. Man sei bereit, in eine Verständigung
über die Person des Souveräns einzutreten, halte Oldenburg
für den bessern, wolle aber gern auch über jede andere Can-
didatur verhandeln, sobald Osterreich in die Entfernung des
Erbprinzen und seiner Minister aus dem Lande eingewilligt
habe. Sollte zu Preußens Bedauern die Verständigung nicht
gelingen, so müßte freilich das Condominium fortdauern, was
auch weder dem Lande noch dem preußischen Staate Nach-
theil bringen würde, immer vorausgesetzt, daß eine wirkliche
Regierung geführt, und jeder Versuch einer Nebenregierung
und einer Agitation auf Einsetzung einer andern Souveränität,
als Auflehnung gegen die rechtmäßige Obrigkeit behandelt
würde. Bei dem jetzigen Zustande, wo diese Agitation sich
im ganzen Lande rühre, könne Preußen nicht auf eine Ver-
minderung seiner Besatzungstruppen eingehen.
So führte jede Erörterung immer wieder auf denselben
Streitpunkt zurück, und bei jeder Wiederholung mußte sich
trotz aller Friedenswünsche der Gegensatz der beiderseitigen
Auffassungen schärfer zeichnen. Preußen betrachtete sich kraft
des Wiener Friedens als Theilhaber einer rechtlich begrün-