1865 Vergebl. Aufforderung a. d. Erbprinzen, Holstein zu verlassen. 137
die Schleswig-Holsteinische Zeitung in Altona gelangen ½),
das hervorragendste Preßorgan der Partei, welches unter der
Redaction eines Breslauer Demokraten, Moses May, Tag
für Tag sich in den heftigsten Angriffen gegen Alles, was
preußisch hieß, erging.
Diese Dinge waren, wie wir wissen, dem Wiener Cabinet
durchaus genehm. Als indessen Bismarck immer nachdrück-
licher die Entfernung des Erbprinzen aus dem Lande begehrte,
und der ganze Gegensatz der beiden Mächte sich in diesem
Punkte zu concentriren schien, meinte man in Wien, eine
freiwillige Abreise des Prinzen würde der Sache dosselben
keinen Schaden thun, und ließ also einen darauf gerichteten
Rath an den Kieler Hof gelangen, wie sich versteht, mit der
bestimmten Erklärung des fortdauernden österreichischen
Schutzes gegen jeden Zwang. Unterdessen hatte auch König
Wilhelm einen ähnlichen Gedanken gefaßt, und erließ ein
eigenhändiges Privatschreiben an den Erbprinzen, durch
welches er ihn, in durchaus gnädigem Tone, aufforderte, die
Schwierigkeiten der Lage durch seine persönliche Entfernung
aus den Herzogthümern zu vermindern. Welche Gründe und
Gegengründe die Berather des Erbprinzen bei diesem Anlasse
geltend gemacht haben, mag dahin gestellt bleiben: genug,
das Ergebniß war eine gemessen ablehnende Antwort an den
König und eine Note in der Kieler Zeitung, daß der Herzog
Friedrich entschlossen sei, das Land nicht zu verlassen, auch
wenn Preußen und ÖOsterreich einen desfallsigen Wunsch aus-
sprechen sollten.
Der König, welcher am 21. Juni, von Bismarck gefolgt,
1) Diese Briefe fand die preußische Behörde nach der Verhaftung
May's unter dessen Papieren.