Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Vierter Band. (4)

138 Preußisches Ultimatum. 1865 
nach Karlsbad gegangen war, fühlte sich dadurch persönlich 
verletzt, als Monarch und als Kriegsherr, da der Erbprinz 
noch immer preußischer Officier, und als schlesischer Guts- 
besitzer preußischer Unterthan war. Gleich darauf berichtete 
Herwarth über neue Hetzartikel der Schleswig-Holsteinischen 
Zeitung gegen die preußischen Truppen mit stachlichen Hin- 
deutungen auf die Person des Königs selbst, und ebenso 
meldete der Gesandte Richthofen aus Hamburg, daß der Erb- 
prinz zur Zeit in Nienstädten, nicht weit von Hamburg ent- 
fernt, Sommeraufenthalt genommen, und daß dort auf den 
6. Juli, den Geburtstag des Prinzen, große Massendemon- 
strationen beabsichtigt, und überhaupt in allen Städten des 
Landes öffentliche Festlichkeiten in Vorbereitung begriffen seien. 
Der Arger des Königs wuchs mit jeder solcher Nachricht, 
und eben in diesem Augenblicke reichte der Justizminister die 
Conclusionen der Kronjuristen über die erbrechtliche Frage ein, 
welche dem Prinzen jeden Anspruch auf die Thronfolge in 
den Herzogthümern aberkannten. 
Dies Rechtsgutachten hat auf der einen Seite so be- 
deutende Wirkungen gehabt, und auf der andern so maaßlose 
Schmähungen erfahren, daß einige nähere Mittheilungen 
darüber hier am Platze sind. 
Die Mitglieder des Kronsyndicats waren, wie kaum der 
Bemerkung bedarf, nicht erst für diesen Fall ernannt, sondern 
längst zu fester Stellung in ihr Amt berufen. Ihre Amts- 
pflicht lautete nicht auf Vertretung der Rechtsansprüche der 
Krone, sondern auf unparteiische Rechtsbelehrung derselben. 
Es waren zwei pensionirte Justizminister, sechs Präsidenten 
und Räthe des obersten Gerichtshofs, zwei Präsidenten von 
Appellationsgerichten, vier Professoren der Uuniversitäten
	        
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