Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Vierter Band. (4)

1864 Particularismus in Italien. 7 
italien aus. Dabei zeigten in Folge der vergeblichen Rüstun- 
gen die italienischen Finanzen ein Deficit von 600 Millionen, 
337 im ordentlichen, 284 im außerordentlichen Budget. Wie 
immer in politisch unbehaglichen Zeiten, trieb der Particu- 
larismus, oder wie man das in Italien nannte, der Muni- 
cipalgeist, eine Fülle giftiger Blüthen, und vor Allem hatte 
sich der Gegensatz zwischen den Piemontesen und den neuen 
Provinzen erheblich verschärft. Jene hatten das hohe Be- 
wußtsein, durch ihre treffliche Armee die Einheit Italiens 
geschaffen zu haben, diese erklärten dagegen, daß ohne ihre 
populare Erhebung die wenigen sardinischen Regimenter ohn- 
mächtig gewesen wären. Jene waren stolz auf die feste 
Ordnung und Disciplin des alten sardinischen Staats im 
Vergleich mit dem unregelmäßigen, bald schlaffen, bald will- 
kürlichen Wesen in der überlieferten Verwaltung der übrigen 
Territorien; diese erklärten, daß bei der Pedanterie und dem 
Militarismus der Piemontesen an ein freisinniges, constitutio- 
nelles Leben nicht zu denken sei, so lange diese den vorherr- 
schenden Ton in der Regierung angäben. Ihr seid undank- 
bar in der Geringschätzung der von uns gebrachten Opfer, 
sagten die Piemontesen. Euer Hochmuth, erwiderten die 
Andern, ist unerträglich; was ihr gewollt habt, war nicht 
ein einiges Italien, sondern ein Großpiemont. Das ewige 
Rufen nach der Erwerbung Roms als der natürlichen Haupt- 
stadt Italiens wurde allmählich den Piemontesen als eine 
Kränkung ihres Turin verdrießlich, während bei den Andern 
die Meinung aufkam, in Ermangelung Roms müsse die Resi- 
denz an einen passenderen Ort als Turin verlegt werden. 
Die Erbitterung der Piemontesen erreichte eben zu dieser Zeit 
ihren Höhepunkt durch den Umstand, daß sie im Cabinct
	        
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