Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Vierter Band. (4)

1865 Graf Belcredi wird Ministerpräsident. 163 
weg liberalen Deutschen gehaßt, den hohen Prälaten jeden 
Vorschub geleistet; und so hoffte er jetzt auf dem weitern 
Schauplatz mit demselben Verfahren ein solides Ergebniß zu 
erzielen. Zunächst dachte er keineswegs als absolutistischer 
Unterdrücker aufzutreten, sondern im Gegentheil als Vor- 
fechter der echten Freiheit die einzelnen Kronlande in ihrer 
Autonomie herzustellen, die Magyaren und Croaten, die 
Czechen, Slovaken und Slovenen von dem Drucke der Deut- 
schen zu erlösen, der Kirche ihre Selbständigkeit gemäß dem 
Concordate zurückzugeben, den Adel vor der lästigen Bevor- 
mundung durch die Bureaukratie zu beschützen. Es verstand 
sich, daß ein so löbliches Thun sich ohne Anstoß nicht unter 
den Augen der jetzigen Mehrheit des Abgeordnetenhauses ent- 
wickeln konnte; Belcredi wollte also seine amtliche Wirksamkeit 
erst mit dem Schlusse der parlamentarischen Session beginnen. 
Auch schien es zur Einleitung des neuen Systems zweckmäßig, 
von dem bisherigen Parlamente nicht im Kampfe, sondern im 
Frieden zu scheiden, und so wurden jetzt Concessionen mög- 
lich, welche Schmerling bis zum letzten Augenblick mit größter 
Anstrengung hatte bekämpfen müssen. Als die Ministerkrisis 
zum Ausbruche kam, war eben das Herrenhaus mit der Be- 
rathung des von den Abgeordneten festgesetzten Budgets für 
1865 beschäftigt, und wollte der Regierung für Heer und 
Flotte sieben Millionen mehr als die Abgeordneten zuge- 
stehen. Ein solcher Beschluß hätte weitschichtige Verhand- 
lungen zwischen beiden Häusern hervorgerufen und den 
Sessionsschluß vielleicht auf ferne Frist hinausgeschoben. So 
erschien am 3. Juli ein kaiserliches Handschreiben, welches 
auch für die bisher in Kriegsstärke verbliebenen Garnisonen 
Venetiens und Dalmatiens die Zurückführung auf den Friedens- 
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