178 Osterreichische Ministerkrisis. 1865
Schreiben an Nigra, erzählt hat. „Wie Sie sich vorstellen
„können, meldete er dem Gesandten, nahm ich diese Mit-
„theilungen mit der größten Zurückhaltung entgegen, und
„anstatt meine innere Befriedigung über eine so günstige
„Wendung zu verrathen, hob ich sehr begründete Zweifel
„und Schwierigkeiten hervor, vorzüglich in der Absicht, Zeit
„zu gewinnen. Will Ihre Regierung, sagte ich, im Ernste
„mit Osterreich Krieg beginnen, so möge sie uns einen förm-
„lichen Vorschlag machen; uns aber benutzen zu lassen, nur um
„einen diplomatischen Druck auf Österreich auszuüben, oder
„nach begonnenem Kriege plötzlich einen preußischen Separat-
„frieden zu erleben, das ziemt sich nicht für uns. Usedom
„protestirte: es sei Preußen Ernst mit dem Kriege; es werde
„stets gewissenhaft gegen den Verbündeten handeln. Darauf
„aber erwiderte ich: jedesfalls müssen wir vor einer binden-
„den Abrede uns über die Intentionen des Kaisers Napoleon
„Gewißheit schaffen. Ubrigens erlaubte ich mir, zur An-
„spornung des preußischen Ehrgeizes zu bemerken, daß bisher
„kein Mensch die Drohungen Preußens ernsthaft genommen,
„Osterreich vielleicht am wenigsten, da es gerade in diesem
„Augenblick entwaffnet.“ In Bezug auf diesen letzten Punkt
kam der Minister auf den Gedanken, die österreichische
Abrüstung sei vielleicht die Folge eines geheimen Einver-
nehmens zwischen Wien und Paris, wobei Osterreich sich
zur freiwilligen Abtretung Venctiens geneigt erklärt hätte,
und dann dem Kaiser Napoleon ein italienischer Krieg un-
nöthig und unerwünscht erscheinen möchte: er forderte also
Nigra dringend auf, diesen Punkt bei Dronyn de Lhuys in's
Klare zu setzen. Nach alledem kam er zu dem charakteristi-
schen Entschlusse, seine preußische Unterhandlung einstweilen