180 Ssterreichische Ministerkrisis. 1865
ihn zu belehren, daß heute Preußen sich von Osterreich eman-
cipirt habe, und folglich Italien sich von Frankreich emancipiren
sollte. Es konnte nicht anders sein, als daß er von einem
solchen Standpunkte aus alle Dinge durch täuschende Gläser
sah. Seine Voraussetzungen waren sämmtlich das Gegentheil
der Wahrheit. Zwischen Frankreich und Osterreich bestand
damals keine Übereinkunft; Frankreich hatte keine Einwendung
gegen einen italienischen Krieg; Osterreich wollte unter keinen
Umständen Venetien freiwillig abtreten; Preußen dachte an
ein italienisches Bündniß nicht als eine diplomatische Finte,
sondern als Mittel eincs ernsten Kriegs für große Zwecke.
Als später diese Thatsachen offenbar und unwiderleglich ge-
worden waren, schrieb La Marmora, mit starker Indiscretion
und mäßiger Wahrheitsliebe, ein Buch, um haarscharf zu
beweisen, daß er zu jedem seiner Schritte durch correcte
Schlüsse und zwingende Gründe genöthigt worden sei.
Warum trotzdem jeder seiner Schritte ein Fehler gewesen,
bemühte er sich nicht, zu erklären.
Als Bismarck den Bericht Usedom's über die mit La
Marmorga gepflogene Erörterung erhielt, beeilte er sich, durch
einen Erlaß vom 1. August die Frage wieder in ihren rich-
tigen Zusammenhang zu rücken. Indem er zunächst die Wider-
sprüche zwischen Nigra's und La Marmora's Außerungen
betonte, fuhr er fort!:
„Für uns ist von höchster Wichtigkeit, zu wissen, ob wir
auf ein entschiedenes und schleuniges Eingreifen Italiens
rechnen können, oder ob es zögern, abwarten, von fremden
Impulsen abhängen wird. Können wir nicht mit Sicherheit
auf seine Mitwirkung rechnen, so fragt es sich, ob wir nicht
1) Abkürzender Auszug.