Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Vierter Band. (4)

1865 Opposition gegen den Vertrag, 195 
Opposition des Wiener und des Berliner Parlaments auch 
die dortigen Regierungen auf die Bahnen des süddeutschen 
Liberalismus hinüberzuzwingen. Er berief auf den 1. October 
einen neuen Abgeordnetentag nach Frankfurt, zu dem er 
insbesondere die Mitglieder aus Osterreich und Preußen ein- 
lud, und welchem er dann eine Reihe von Resolutionen vor- 
legte, des Inhalts, daß der Gasteiner Vertrag alle Rechts- 
ordnung und Rechtssicherheit in Deutschland vernichte, mithin 
als Rechtsbruch von der Nation verworfen werde, namentlich 
für die Herzogthümer in keiner Weise rechtsverbindlich und 
gültig sei, und von allen deutschen Landtagen mit höchster 
Energie bekämpft werden müsse. Aber er mußte eine arge 
Enttäuschung erleben. Denn trotz seiner ausdrücklichen 
Mahnung waren unter 272 Anwesenden nur ein OÖsterreicher 
und acht Preußen erschienen, von welchen sechs die Erklärung 
abgaben, daß sie als Preußen den Anträgen nicht beitreten 
könnten, und sich deshalb der Abstimmung enthielten. Mehrere 
namhafte preußische Abgeordnete der Fortschrittspartei, 
Twesten, Th. Mommsen, G. Jung, hatten ihr Nichterscheinen 
in Frankfurt mit dem Satze motivirt, daß die Mehrheit der 
preußischen Volksvertretung niemals Beschlüssen zustimmen 
würde, welche gegen die Macht und die Zukunft des preußi- 
schen Staats in die Schranken treten 1). Andrerseits hatten 
15 abwesende Osterreicher angezeigt, daß sie an der Rechts- 
anschauung der frühern Abgeordnetentage festhielten, aber 
aus nicht näher zu erörternden Gründen an dem jetzigen 
Theil zu nehmen, sich nicht bestimmt fänden. Die Mehrheit 
1) Ein französischer Diplomat äußerte etwas später: „in jedem 
Preußen steckt doch ein Stück vom alten Fritz.“ Möge er für alle 
Zeiten Recht behalten. 
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