1865 Bismarck's Urtheil darüber. 209
in Deutschland ihm zufallen, und man wird die elenden
parlamentarischen Zänkereien und die traurige Frage der
Herzogihümer vergessen.
Goltz war mit dieser Mahnung zu einer liberalen Politik
durchaus einverstanden, und berichtete seinem Chef mit sicht-
licher Befriedigung die treffliche Aufnahme, die er bei Napoleon
gefunden. Bismarck war von dem Vorgange weniger entzückt.
Befremdet hat den König, schrieb er dem Botschafter am
1. September, die peinliche Überraschung Napoleon's, welche
nach Ihrer Meinung nicht die Herstellung unseres Einver-
nehmens mit Österreich zum Grunde hat: welchen Grund
aber könnte er sonst haben? wünschte er wirklich unsern Bruch
mit Osterreich, so müßte dies uns doppelt mißtrauisch machen.
Die Einladung zu einer liberalen Wendung der preußisch-
deutschen Politik lehnte Bismarck kurz und bündig ab. Die
Parteien, sagte er, welche Napoleon dabei im Auge haben
kann, sind höchstens stark genug, Kammerbeschlüsse ihres
Sinnes herbeizuführen; die Regierungen der Mittelstaaten
sind unter sich zwiespältig und schwach durch die Schlechtig-
keit ihrer militärischen Organisation; das Alles kann uns
weder eine feste Stütze, noch eine ernste Gefahr in Aussicht
stellen: der echte Kern erfolgreicher und praktischer nationaler
Bestrebungen kann nur in einem starken Preußen und einer
selbständigen preußischen Politik liegen. Goltz wurde also
angewiesen, fort und fort, entsprechend den Vorschriften des
4. August, zwar keine bestimmten Anträge an Napoleon zu
bringen, wohl aber mit der größten Aufmerksamkeit die Ge-
sinnungen desselben gegen Preußen zu studiren.
Unterdessen hatte Drouyn de Lhuys das Seinige gethan,
um die preußisch-französischen Beziehungen weiter abzukühlen.
v. Sybel, Begründung d. deutschen Reiches. IV. 14