210 Bismarck in Biarritz. 1865
Am 8. September sandte Balan, damals Gesandter in
Brüssel, eine Nummer der dort erscheinenden Emancipation
Belge mit einem wörtlichen Abdruck jenes, vom 29. August
datirten Rundschreibens an die französischen Missionen ein.
Dasselbe ließ an massiver Grobheit nichts zu wünschen
übrig. Nachdem es auf Grund der Zeitungsberichte über
den Gasteiner Vertrag in demselben die Verletzung der Ver-
träge von 1852 und die Beseitigung des bestberechtigten Erben,
die Zerreißung der schleswig-holsteiner Untheilbarkeit und die
Hinwegsetzung über das populäre Selbstbestimmungsrecht, die
Nichtachtung der dänischen Nationalität und die Übergehung der
deutschen Bundesgenossen beklagt, kam es zu dem Schlusse,
der Vertrag habe keine andere Grundlage als die Gewalt,
keine andere Rechtfertigung als die Convenienz der Theilungs-
mächte; es sei das eine Praxis, an welche das heutige Europa
nicht mehr gewöhnt sei, und deren Vorbilder nur in den
verhängnißvollsten Epochen der Geschichte sichtbar würden.
Das Actenstück ignorirte also vollständig die von Goltz dem
französischen Minister gemachte Mittheilung über den provi-
sorischen Charakter der Übereinkunft, welcher allein zur voll-
ständigen Widerlegung aller jener Vorwürfe ausreichte. Im
ersten Augenblick hielt Bismarck das angebliche Circular für
eine freche Fälschung; indeß ging es rasch durch alle Zeitungen
Europas, ohne daß ein Widerspruch erfolgte, und bald kam
Nachricht aus Dresden und Hannover, daß die dortigen
französischen Gesandten es durch Vorlesen zur amtlichen
Kenntniß der betreffenden Regierungen gebracht hatten. Um
das Maaß zu füllen, folgte dann die Veröffentlichung einer
Circulardepesche Lord John Russell's vom 14. September,
die sich dem Gedankengang des französischen Schriftstückes