216 Bismarck in Biarritz. 1865
ersichtlich, daß der Kaiser selbst lebhaft gewünscht hätte, das
Circular vom 29. August ungeschehen machen zu können.
Er schien nicht zu wissen, daß ich von seiner vorgängigen
Billigung desselben Kenntniß hatte, denn er hob hervor, daß
er die auswärtigen Geschäfte zwar in Situationen von Be-
deutung unmittelbar in die Hand nehme, sich aber um die
Einzelheiten des gewöhnlichen Geschäftsganges, so lange die
Wichtigkeit derselben sich ihm nicht erkennbar gemacht habe,
wenig kümmern könne. Er tadelte wiederholt die Veröffent-
lichung des Actenstücks und die ÜUbereilung, mit welcher es,
ohne vorgängigen Gedankenaustausch mit Ew. Majestät Ver-
treter, abgefaßt worden sei. Auf diese Weise habe man in
Paris die Tragweite des Gasteiner Abkommens für die Ge-
sammtpolitik Preußens überschätzt, zumal man nicht hätte
glauben können, daß ein für Preußen so günstiges Resultat
durch keine geheimen Zugeständnisse an Osterreich erkauft
worden sei. Der Kaiser ließ durchblicken, was Drouyn de
Lhuys mir mit voller Bestimmtheit angedeutet hatte, daß die
österreichischen Mittheilungen, welche durch ganz vertrauliche
Canäle (anscheinend Ihre Majestät die Kaiserin) an ihn ge-
langt seien, der Voraussetzung einer geheimen, gegen Frank-
reich gerichteten coalitionistischen Verständigung der deutschen
Mächte Vorschub geleistet hätten. Se. Majestät legte mir
nochmals mit einiger Feierlichkeit die Gewissensfrage vor, ob
wir Osterreich keine Garantie wegen Venetien geleistet hätten.
Ich verneinte es mit der Versicherung, daß der Kaiser meiner
Aufrichtigkeit um so gewisser sein könne, als solche Verab-
redungen, wenn sie getroffen würden, doch nicht lange geheim
blieben, und ich das Bedürfniß hätte, bei ihm den Gedanken
an meine Zuverlässigkeit zu erhalten; außerdem hielt ich