1865 Weitere Gespräche. 219
der Kaiser als eine ihm vollständig einleuchtende und sym—
pathische.
„Dieser wesentliche Inhalt der Unterredung mit Sr.
Majestät wiederholte sich in verschiedenen Wendungen während
der ersten Audienz, und während noch längerer Gespräche,
die ich später nach einem Dejeuner mit dem Kaiser hatte.
Bei letzterer Gelegenheit erkundigte er sich lebhaft nach der
Richtung, welche Ew. Majestät Regierung Angesichts der
servativen Interessen Rußlands verstärkten Politik Österreichs zu folgen,
welche den Bund, dessen auch Preußen zum Schutze gegen Frankreich
zu bedürfen glaubte, zum Drucke auf Preußen benutzte
„Gegenüber diesem traditionellen System steht ein anderes Princip,
welches ebenfalls in einem tiefsen Bedürfniß Preußens seine Begründung
hat. Es ist das Princip der unabhängigen und freien Entwicklung
des preußischen und norddeutschen Elements zu einer selbständigen
Großmacht, die ohne Anlehnung sich durch eigene Macht sicher fühlt.
Es wäre dies eine Politik, die in freier Entfaltung der eigenen
Lebenskeime und Sammlung der diesen homogenen Elemente im
Norden Deutschlands, wie in Beseitigung der Hindernisse, welche der
Consolidirung eines nationalen Lebens entgegenstehen, ihre Aufgabe
fände. Das durch die eigenthümliche Stellung Preußens und seinen
eigenen Lebenstrieb hervorgerufene Streben nach Machterweiterung
innerhalb der natürlich gegebenen Sphäre wird von einem großen
Theile der Nation als ein Bedürfniß empfunden, und ein Einlenken
auf diesen Weg ungeduldig ersehnt und gefordert
„Kann Kaiser Napoleon es für seinen Beruf halten, Preußen zu
entmuthigen, wenn es den Versuch macht, diesen Weg zu betreten,
eine Stellung einzunehmen, welche ebenso gut gegen Österreich Front
macht, wie früher gegen Frankreich, und dadurch den Nachwirkungen
der Coalition sich zu entziehen? Kann er es dem Interesse Frankreichs
entsprechend crachten, Preußen auf den alten Weg der defensiven
Coalition zurückzudrängen, was der Fall sein würde, wenn er die von
Ihnen angedeutete Stellung einzunehmen suchte?"“ (Aufheten Österreichs
und Preußens gegen einander, um dann im Trüben zu sischen.)
u. „Es wäre damit der Beweis gegeben, daß jene Besorgniß,
vor den von Westen drohenden Gefahren mehr als eine Fiction, daß
die fünfzig jährige traditionelle Politik die rnichtige war und auch in
der Zukunft für Preußen die bestimmende bleiben muß.“