Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Vierter Band. (4)

1865 Suspension der österreichischen Verfassung. 241 
Herbstmonaten auch zwischen Berlin und Wien ein leidliches, 
wenngleich nicht völlig ungetrübtes Verhältniß. 
In Gastein und Salzburg hatte man sich, wie wir uns 
erinnern, in dem Gedanken vereinigt, fortan gemeinsam eine 
feste, conservative Leitung der gesammtdeutschen Angelegen- 
heiten zu führen. Es schien mit einem solchen Programme 
dem preußischen Minister, der seit Jahren mit der preußischen 
Volksvertretung in bitterm Streite lebte, sehr wohl im Ein- 
klange zu stehen, daß am 20. September Graf Belcredi mit 
dem österreichischen Reichsrathe gründlich aufräumte, indem 
ein kaiserliches Patent die ganze Verfassung von 1861 suspen- 
dirte, bis die Ansicht Ungarns und dann der Landtage der 
andern 17 Kronlande über eine neue Einrichtung gehört und 
erwogen wäre, für jetzt aber die Minister mit dem Erlasse 
aller erforderlichen Gesetze, und insbesondere der Vornahme 
finanzieller Operationen, beauftragte. Als dann einige Tage 
später in Frankfurt der Abgeordnetentag die oben angeführten 
Schmähungen gegen die Gasteiner Convention ergoß, glaubte 
Bismarck, eine erste Probe der conservativen Zweiherrschaft 
machen zu sollen, und beantragte in Wien einen gemeinsamen 
Schritt gegen die freie Stadt, welche in ihrem Gebiete solche 
Angriffe auf die deutschen Großmächte dulde. Graf Mens- 
dorff war gerade beurlaubt, und die übrigen Minister er- 
klärten sich mit dem preußischen Vorschlag einverstanden. 
Demnach erließ jede der beiden Mächte eine strenge Note an 
den Frankfurter Senat, worin die Verhinderung jedes ähn- 
lichen Attentats für die Zukunft gefordert wurde, da anderes- 
falls, sagte die preußische Note, die Mächte zu einem Ein- 
greifen genöthigt sein würden. Der Senat, wahrscheinlich, 
wie der weitere Verlauf zeigte, durch stille Winke aus Wien 
v. Sybel, Begründung des deutschen Rriches. IV. 16
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.