Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Vierter Band. (4)

1866 Die Krisis. 261 
reichischen Drucke zu befreien, und die Unabhängigkeit und 
Sicherheit seines Vaterlandes auf neue, unerschütterliche Grund- 
lagen zu stellen. Dieses Ziel also lag unverrückbar vor seinem 
Auge. Der Wege aber, welche dahin führen möchten, sah er 
vicle, und war mehrere Jahre hindurch bemüht, sich keinen der- 
selben zu verschließen, sondern in jedem Zeitpunkte die Rich- 
tung seiner Schritte und den Umfang seines Begehrens den 
jedes Mal gegebenen Verhältnissen anzupassen. Ein neues 
Preußen war nicht denkbar ohne ein neues Deutschland: die 
Kräftigung Preußens also hing eng zusammen mit der Lösung 
der deutschen Frage. Hier aber boten sich dem Streben eines 
preußischen Staatsmannes mehrere Systeme: eine wirkliche 
Beherrschung Deutschlands gemeinsam mit Osterreich, eine 
geographische Theilung wenigstens der deutschen Militärkräfte 
zwischen beiden Mächten, endlich ein Hinausdrängen OÖster= 
reichs aus dem Bunde und Vereinigung des übrigen Deutsch- 
lands unter preußischer Leitung. Ohne Frage war die letzte 
Alternative die glänzendste und gründlichste, und so hatte 
einst die Majorität der Paulskirche sie für ihr Programm 
erklärt. Aber sogleich hatte auch Preußen die Schwierigkeiten 
und Gefahren der Sache empfinden, und die Unmöglichkeit 
des Gelingens ohne einen Kampf auf Leben und Tod mit 
Osterreich einsehen müssen. Klarer noch als seine Vorgänger 
erkannte jetzt Bismarck die Unabsehbarkeit der europäischen 
Folgen eines solchen Zusammenstoßes, den allseitigen Arg- 
wohn gegen den preußischen Friedensstörer, die Möglichkeit 
fremdes Eingreifens von mehr als einer Seite. Bei ihm 
fielen Vorsicht und Kühnheit, Vorwärtsdrängen und Mäßigung 
untrennbar zusammen, und so war er bereit, wenn ein großes 
Ergebniß sich im Frieden erreichen ließ, auf die kriegerische
	        
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