Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Vierter Band. (4)

274 Schwüle Luft. 1866 
unwiderruflich eingebüßt werden. So wirkten gleich starke und 
gleich unläugbare Momente hier für möglichst schnelles, dort 
für höchst bedachtsames Vorgehen. In einer solchen Lage 
der Dinge war nichts natürlicher als häufige Meinungsver- 
schiedenheit über die einzelnen Schritte des Verfahrens, auch 
bei voller ÜUbereinstimmung in dem gemeinsamen Streben zum 
gemeinsamen Ziele, je nach der allgemeinen Seelenstimmung 
des Beurtheilers, und in der That fehlte es auch in den 
maaßgebenden Kreisen Preußens während der nächsten Monate 
nicht an solchen Vorgängen. 
Bismarck war seit Jahren mit dem Gedanken vertraut 
und hatte ihn mehrmals ausgesprochen, daß eine Bundes- 
reform im preußischen Sinne allmählich zur Lebensfrage 
seines Staats geworden, und Osterreichs Widerstand dagegen 
nur ferro et igui zu brechen sei. Erfüllt von einer solchen 
Uberzeugung, kannte er weder Neigung noch Abneigung, 
sondern nur die Erwägung von Mittel und Zweck; hier um 
so mehr, als er der Ansicht war, daß nach Zersprengung 
des alten unnatürlichen Bundesrechts die realen Interessen 
beider Parteien sehr bald eine echte Freundschaft zwischen 
ihnen begründen würden. Demnach war er für Beschleu- 
nigung der diplomatischen Action, für Annäherung an Frank- 
reich, für Verbindung mit Italien, um so bald wie möglich, 
falls Osterreich nicht einlenke, zum überwältigenden Schlage 
zu gelangen. Denn je länger man zauderte, desto mehr Zeit 
ließ man dem Gegner zu vollständiger Rüstung, desto größer 
wurden die dem eigenen Volke aufzuerlegenden Gefahren und 
Verluste. Die hervorragendsten und einflußreichsten Generale, 
Roon, Moltke, Manteuffel, stimmten jetzt mit diesen An- 
schanungen vollkommen überein.
	        
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