1866 Bismarck's Gründe für allgemeines gleiches Stimmrecht. 319
für eins der wesentlichsten Hülfsmittel der Revolution zu
erklären, und ich glaube, in diesen Dingen praktisch einige
Erfahrungen gesammelt zu haben“ 1). —
So viel sich nun auch gegen eine solche Theorie sowohl
nach den sittlichen Voraussetzungen politischer Rechte, als nach
der geschichtlichen Beobachtung ihrer Wirkungen einwenden
ließ: im Jahre 1866 stand in Folge der langjährigen Oppo-
sition des deutschen Bürgerthums Bismarck's Überzeugung
fest. Er hoffte, durch die Depesche vom 24. März Pfordten's
Bedenken aus dem Wege geräumt zu haben, und ersuchte
den bayerischen Collegen: es möge das Münchener Cabinet
gemeinschaftlich mit dem Berliner beim Bundestage den An-
trag auf Einberufung eines deutschen Parlaments aus all-
gemeiner directer Volkswahl zu einem bestimmten Termine
stellen.
Allein diesem Vorschlage war, so wenig Sympathie für
Osterreich damals auch in München herrschte, ein günstiger
Erfolg nicht bestimmt.
Die bayerische Regierung hatte sich die Jahre daher
unter der Bundesverfassung von 1815 ganz wohl befunden,
und auch Freiherr von der Pfordten war, nachdem die popu-
lären Anwandlungen von 1848 und die ehrgeizigen Pläne
von 1850 bei ihm allmählich verraucht waren, mit dem be-
stehenden Bundesrechte von Herzen ausgesöhnt. Er war bei
1) Als Graf Bernstorff am 26. April von dem Schrecken Lord
Clarendon's über das allgemeine Stimmrecht berichtete, machte Bismarck
dazu folgende Nandnote:
In England sind eben nur die höheren Classen dem Königthum
und der Verfassung anhänglich, welche ihre Privilegien, ihre Herr-
schaft über das Land darstellen. Die Massen sind roh, unwissend, und
ihre Anhänglichkeit an die Krone ist nicht von der Art wie in Preußen.