Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Vierter Band. (4)

324 Antrag auf Bundesreform. 1866 
Bundesreform hervortritt, fehlt das Vertrauen des deutschen 
Volkes. 
Es war damals in den gebildeten Kreisen der liberalen 
Partei eine nicht seltene Vorstellung, Bismarck sei bei Louis 
Napoleon in die Schule gegangen, und habe hier erfahren, 
wie man nach Unterdrückung der Preßfreiheit und des Vereins- 
rechts die gedankenlosen Volksmassen durch Gensdarmen und 
Pfaffen zur Wahlurne führe und durch ihre Stimmenzahl 
jede Regung des freien Geistes unterdrücke. Daß überhaupt 
bei dem preußischen Minister kein anderes Trachten, als abso- 
lutistische Herrschsucht, lebendig sei, schloß man vor Allem aus 
seinem Verfahren in der Sache der Herzogthümer, wo er 
sowohl das hundert Mal bewiesene Erbrecht des Augusten- 
burgers, als das heilige Selbstbestimmungsrecht des schleswig- 
holsteinischen Volkes mit Füßen trete. Mochte in Osterreich 
das Ministerium Beleredi noch viel weiter als Bismarck in 
der Bekämpfung des parlamentarischen Liberalismus gegangen 
sein, so waren dennoch Millionen deutscher Männer bereit, 
dies Alles zu verzeihen und zu vergessen, weil Osterreich 
Schleswig-Holstein gegen die preußische Vergewaltigung zu 
schützen fortfuhr. Demnach erklärte eine Volksversammlung 
in Hannover, es sei ein fluchwürdiges Unternehmen, unter 
dem Vorwande der Bundesreform einen Bruderkrieg zu be- 
ginnen; und äußerst kräftig, wenn auch nicht gerade pro- 
phetisch, beschloß die Gesammtheit der schleswig-holsteinischen 
Vereine in Neumünster: es steht fest, daß ein Gewährenlassen 
der verabscheuenswerthen Politik des preußischen Cabincts 
Deutschland unrettbar dem tiefsten Verfall Preis geben würde. 
Die württemberger Volkspartei forderte aufs Neue eine demo- 
kratische Constituirung des dritten Deutschland, und sprach
	        
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