366 Letzter Einigungsversuch. 1866
preußisch-französischen Verständigung vor dem Congresse be-
tont, und dabei erwähnt habe, daß ein erheblicher Territorial=
gewinn kein Bedürfniß für Frankreich sei; im Gegentheil, er
würde in ganz Europa Furcht und Argwohn erwecken, und
dadurch Frankreichs Einfluß vermindern. Der Minister habe
jedoch darauf erwidert: „Einfluß haben wir genug; dergleichen
zieht nicht mehr; wir werden nicht mehr für Ideen kämpfen;
wenn Andere sich vergrößern, müssen wir es in gleichem
Maaß; Zug um Zug, anders geht es nicht.“ Am Abend,
auf einem Hofball, hatte sich dann der Kaiser mit Goltz in
eine Fensternische zurückgezogen, und gegen das Gelöbniß
strenger Verschwiegenheit gesagt, Osterreich habe ihm An-
deutungen gemacht, die sich bald zu förmlichen Anerbietungen
gestalten würden. Er, nach seiner Sympathie für den König,
wolle lieber mit Preußen als mit Osterreich sich verständigen.
Da er aber auf die Dauer die österreichischen Anerbictungen
schwerlich würde ablehnen können, bitte er den König, seiner-
seits gleich annehmbare Anerbietungen zu machen. Goltz
hatte die natürliche Antwort gegeben, dies würde leichter
sein, wenn der Kaiser seine Zielpunkte etwas näher bezeichnen
wollte. Napoleon sei zuerst darauf nicht eingegangen, habe
aber endlich erklärt: die Augen meines ganzen Landes sind
auf den Rhein gerichtet. Goltz fügte hinzu, der Kaiser solle
gegen einige Abgeordnete geäußert haben: was werdet ihr
sagen, wenn ich euch, ohne einen Schuß zu thun, das linke
Rheinufer verschaffe? Er kam zu dem Schlusse, Osterreich
habe dem Kaiser dieses Anerbieten gemacht, und Preußen
werde zu erwägen haben, mit welchen Liebesdiensten es in
diesem Wettbewerb um Napoleon's Gunst den Sieg davon
tragen könne.