368 Letzter Einigungsversuch. 1866
stets freundschaftlich und ermuthigend gegen Preußen ver—
hielt, über den Gasteiner Vertrag zürnte, die Lockerung des-
selben mit Freuden begrüßte und Italien dringend zum Ab-
schlusse des preußischen Bündnisses antrieb.
Indessen, so gewaltig er in Frankreich herrschte, so kannte
er doch die Gefahr, welche die Verletzung eines starken und
einmüthigen Nationalgefühls für ihn und seine Dynastie in
sich schloß. Nun aber war gegen Italien die Stimmung der
liberalen Franzosen äußerst kühl, die der klerikalen von bitterem
Grimm und Haß erfüllt. Vollends aber der preußische Name
war in allen Kreisen des Landes so unpopulär wie möglich.
Mochte bei dem Streite der beiden deutschen Höfe der Bruch
der zwischen ihnen bestehenden Verträge noch so ausschließlich
auf Osterreichs Seite liegen: für das französische Urtheil galt
nur die Thatsache, daß Osterreich für sich und Deutschland
nichts als die Erhaltung des alten „Zustandes begehrte,
Preußen aber die Erweiterung seines Landbesitzes und die
deutsche Bundesreform erstrebte. Folglich war Preußen der
Angreifer, der Feind des Friedens, der Störer der Ruhe in
Europa, und je berechtigter seine Forderungen im deutschen
Interesse waren, je reichere Früchte sie für die Macht und
Wohlfahrt Deutschlands verhießen, desto entschiedener begehrte
Frankreich von seiner Regierung, daß sie einem so gefährlichen
Treiben Einhalt thue. Denn kein politischer Satz war dem
französischen Nationalgefühl geläufiger und wurde mit größerer
Unbefangenheit für allgemein gültig und selbstverständlich
erklärt, als die Anschauung, daß das europäische Gleich-
gewicht in der Stärke Frankreichs und der Ohnmacht Deutsch-
lands beruhe. In diesen Tagen verhandelte der gesetzgebende
Körper das jährliche Recrutirungsgesetz, und Thiers nahm