374 Letzter Einigungsversuch. 1866
zu wünschen, als baldige Eröffnung des Congresses zur Ver—
hütung des Kriegs. Dazu paßte freilich sehr wenig eine
Rede, womit er am 6. Mai bei seinem Empfang in Auxerre
die Ansprache des Maire beantwortete, und welche in dem
Satze gipfelte, das Volk des Y)onne-Departements habe ihm
stets seine anhängliche Gesinnung bekundet, „denn es hat
wie die Mehrheit des französischen Volkes begriffen, daß seine
Interessen die meinigen sind, und daß ich, gleich ihm, die
Verträge von 1815 verabscheue, die man heute zur einzigen
Grundlage unserer auswärtigen Politik machen will.“ Mit
Grund konnte Emil Girardin von dieser Rede sagen, daß
sie wie ein Kanonenschuß durch Europa erschollen sei; außer
der kriegerischen Tendenz ließ sie freilich keine bestimmte Ab-
sicht des Kaisers erkennen, vielmehr mochte aus ihren Worten
ein jeder herauslesen, was ihm schmackhaft däuchte, Befrei-
ung Venetiens, Einheit Deutschlands, Abtretung des linken
Rheinufers — ganz nach Belieben, wenn es nur den Ver-
trägen von 1815 widersprach. Die preußische Regierung
empfand die Unsicherheit dieses Bodens um so mehr, als ihr
von verschiedenen Seiten Gerüchte über den Plan einer fried-
fertigen Cession Venctiens an Italien zukamen. Bismarck
zog aus alledem die Folgerung, daß man sich die Thür zu
Verhandlungen mit Osterreich um so weniger schließen dürfe,
als Kaiser Alexander immer wieder ein eifriges Bestreben
nach erneuerter Verständigung zu Dreien bethätigte, und
neuerlich aus Wien selbst Andeutungen einliefen, welche über
die amtlichen Erlasse vom 26. April im Sinne des Friedens
weit hinausgingen. In der That, so verhielt es sich; in
ganz besonderer Weise war noch einmal ein Hauch leiser
Friedensregung aus Wien herübergekommen.