Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Vierter Band. (4)

376 Letzter Einigungsversuch. 1866 
Preußen über alle norddeutschen Heerestheile erhielte. Preußen 
würde sodann den Kieler Hafen erwerben und dafür fünf 
Millionen Thaler an Österreich zahlen. Ferner empfinge 
Osterreich 20 Millionen Kriegskosten von den Herzogthümern, 
während Preußen auf jede solche Zahlung verzichte. Rends- 
burg würde Bundesfestung mit preußischer Besatzung, dafür 
erhielte Osterreich ausschließliches Besatzungsrecht in Rastadt 
und Hohenzollern, so wie den Oberbefehl über das hohen- 
zollern'sche Bundes-Contingent. Beide Regierungen würden 
gemeinsam die Bundesreform auf dieser Basis in Angriff 
nehmen. 
Bei den colossalen österreichischen Rüstungen gerade in 
diesen Tagen, den wuthschnaubenden Ausbrüchen aller Wiener 
Zeitungen, den peinlichen Gerüchten über die freiwillige Ab- 
tretung Venetiens, war Bismarck überrascht, daß von Wien 
aus ein solcher Ausgleichsversuch überhaupt noch gemacht 
oder verstattet wurde. Er hielt das Gelingen für wenig 
wahrscheinlich, war aber weit entfernt davon, den Mittels- 
mann kurzer Hand abzuweisen. Wir wissen, wie er während 
mehrerer Jahre dem Wiener Cabinet die Bundesreform in 
Gestalt der gemeinsamen Beherrschung Deutschlands durch 
beide Mächte bei jedem Anlaß an das Herz gelegt hatte; 
was Gablenz vortrug, war nur eine neue Form desselben 
Gedankens; es gab keinen Grund, welcher den Versuch, auf 
diesem Wege einem Kriege von unabsehbarer Tragweite aus- 
zuweichen, verboten hätte. Allerdings war dabei große Vor- 
sicht unerläßlich; bei der in Wien herrschenden Feindseligkeit 
gegen Preußen mußte man auf die Möglichkeit gefaßt sein, 
daß ein von Berlin kommender Friedensvorschlag sofort be- 
nutzt würde, um in Paris und namentlich in Florenz Miß-
	        
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