Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Vierter Band. (4)

1866 Innere Zustände Esterreichs. 389 
innern Lage, welche das Jahr zuvor für eine Friedenspolitik ent- 
schieden hatten, drängten zur Zeit in entgegengesetzter Richtung. 
Nachdem das Ministerium Schmerling den Hader der Natio- 
nalitäten im Reiche entzündet hatte, war dem Ministerium 
Belcredi noch an keiner Stelle ein Ausgleich auf verfassungs- 
mäßigem Boden gelungen. Die deutschen Landtage hatten 
großes Theils gegen die Sistirung der Februar-Verfassung 
protestirt; mit den Croaten war man zu keiner Verständigung, 
weder über ihr Verhältniß zu Ungarn, noch über jenes zur 
Wiener Regierung, gekommen; vollends im ungarischen Rcichs- 
tag stand das Ansehen Franz Deäk's höher als je, und seine 
Forderung der unbedingten Anerkennung der Verfassung von 
1848 durch die Krone, wurde von einer unermeßlichen Mehr- 
heit der Bevölkerung unterstützt. Dazu wollte sich aber das 
Ministerium nach seinen absolutistischen Gesinnungen nicht ent- 
schließen, und so standen sich in Pest die Parteien mit unge- 
milderter Schroffheit nach wie vor gegenüber. Zu all diesem 
Hader kam mit täglich wachsendem Drucke die Finanznoth, 
ein Deficit von 80 Millionen, eine tiefe Erschöpfung des 
Credits, und auch für dieses Elend gab es kein Heilmittel, 
als die Beendigung der endlos sich hinziehenden Verfassungs- 
kämpfe. Da konnte denn ein großer Krieg als die sichere 
Radicalcur erscheinen: der Sieg über den auswärtigen Feind 
würde auch die Mittel zur Niederwerfung aller innern Oppo- 
sitionen liefern. Leider hätte man nicht schon 1865 statt 
des Gasteiner Vertrags zu diesem durchschlagenden Mittel 
greifen können; damals war man nicht gerüstet; jetzt aber 
stand eine gewaltige Armada bereit, und an deren Triumphen 
zu zweifeln, war nicht erlaubt. Graf Mensdorff rang ver- 
geblich gegen diese Stimmung seiner Collegen: es wird
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.