Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Vierter Band. (4)

402 Esterreich und Frankreich. 1866 
Einladung zu dem Congresse, wo man die Abtretung Venetiens 
vorschlagen werde, gegen eine von Osterreich zu bezeichnende 
Entschädigung; sodann werde man über eine europäische 
Garantie für den weltlichen Besitz des Papstes, über die Frage 
der Herzogthümer und über die deutsche Bundesreform, so weit 
sie das europäische Gleichgewicht berühre, Beschluß fassen. 
Nach Drouyn's Meinung würde der Congreß seine Beschlüsse 
nöthiges Falls mit Waffengewalt durchführen; davon aber 
wollten England und Rußland nichts wissen, sondern nur 
durch moralische Mittel wirken. Ebenso wurde die Garantie 
für den Kirchenstaat von beiden Mächten abgelehnt, und auf 
Rußlands Vorschlag anstatt der „Abtretung Venetiens“ der 
unbestimmtere Ausdruck „österreichisch-italienische Differenz“ 
beliebt. Auch der deutsche Buud sollte zur Sendung eines 
Vertreters aufgefordert, und die vorgängige Entwaffnung der 
streitenden Mächte nicht als Bedingung, sondern nur als 
Wunsch der Neutralen bezeichnet werden. So ging denn 
am 24. Mai die amtliche Einladung nach Berlin und Frank— 
furt, sowie nach Wien und Florenz ab, wurde am 28. den 
dortigen Organen überreicht, und die Annahme in Berlin be— 
reits am 29. Mai, sowie in Frankfurt und in Florenz am 
1. Juni erklärt. 
Die österreichische Regierung hatte die Ende April be— 
gonnene vertrauliche Unterhandlung mit dem französischen 
Hofe seitdem im Flusse erhalten; mehrmals im Laufe des 
Mai hatte Graf Goltz seine Sorge über die rastlose Thätig— 
keit des Fürsten Metternich in seinen Depeschen ausgesprochen. 
Uber die Stellung seines Hofes zu dem Congreßvorschlag 
vermied damals Graf Mensdorff eine bestimmte Äußerung; 
längst aber stand in Wien die Entschließung fest, die Ab-
	        
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