Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Vierter Band. (4)

1866 Wiener Vertrag vom 12. Juni. 411 
Verhältnisse zu schließen gewesen. Napoleon aber hielt einen 
solchen Versuch, nach allen ihm aus Berlin zukommenden 
Berichten, theils für unnöthig, theils für aussichtslos, ja für 
gefährlich. 
Schon seit mehreren Wochen klagte Graf Benedetti, daß 
bei Bismarck an die Stelle der bisherigen vertraulichen Offen— 
heit eine schweigsame Zurückhaltung getreten sei. Am 19. Mai 
sagte ihm Bismarck, daß Napoleon trotz aller frühern Zu— 
sicherungen jeder Verständigung mit Preußen, jeder Mit— 
theilung seiner Absichten ausweiche; er erwähnte zugleich jene 
feindseligen Außerungen der französischen Gesandten bei den 
Mittelstaaten, sowie die Gerüchte von einer friedlichen Ab- 
tretung Venetiens an Italien, sprach aber den Entschluß aus, 
auch wenn Italien dann den Bundesvertrag breche, den Kampf 
gegen Osterreich und die Mittelstaaten dem Könige anrathen 
zu wollen, da er bei der Stärke und Tüchtigkeit der Armce 
an einem guten Erfolge nicht zweifle. 
Was französische Compensationen betraf, so berichtete 
Benedetti wiederholt, daß der König ebenso wie sein Volk 
nur unter dem bitteren Zwange einer völligen Niederlage 
sich zur Abtretung deutsches Bodens entschließen würden. 
Die Doctrin, sagte er einmal, welche Deutschland als eine 
einheitliche Macht auffaßt, und ihr das Recht, ihre Verfassung 
nach Gutdünken umzugestalten, beilegt, verblendet hier auch 
die am wenigsten voreingenommenen Geister, und mit Ent- 
rüstung weisen sie jede Verhandlung zurück, welche den Verlust 
irgend eines Gebictstheils zur Folge haben könnte. Ich kenne, 
schrieb er ein anderes Mal, niemand außer dem Grafen 
Bismarck, der sich mit dem Gedanken vertraut gemacht hätte, 
eine Gebietsabtretung an Frankreich könnte in Preußens
	        
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