1866 Napoleon's Manifest vom 11. Juni. 419
Der Eindruck, welchen dies Manifest in ganz Europa
machte, war groß. Jedermann sah darin unter allen ver-
hüllenden Redewendungen die Ankündigung französischer An-
nexionen. Die Italiener, wenn auch stets von Mißtrauen
erfüllt, freuten sich der wiederholten Anerkennung ihres natio-
nalen Rechts. In Berlin aber mußte das Schreiben als
eine förmliche Absage Frankreichs erscheinen, schon nach seinem
Gegensatze zu der preußischen Bundesreform, und nach der
völlig grundlosen Behauptung, daß auch Preußen jede seiner
Entschließungen von Frankreichs Zustimmung abhängig ge-
macht habe. Gewiß hatte Bismarck sich bei jedem Schritte
auf seiner gefahrvollen Bahn mit Frankreich zu verständigen
gesucht, aber Napoleon war es gewesen, welcher jede bindende
Abrede zurückgewiesen hatte. Jetzt, wo der Krieg mit Oster-
reich dicht am Ausbruche stand, vermied Bismarck eine Aus-
einandersetzung über den kaiserlichen Brief; er begnügte sich,
dem Grafen Benedetti zu sagen, daß er darin die alten
Gesinnungen des Kaisers unverändert wieder gefunden habe.
Einstweilen reichte ihm für den Beginn des Kampfes die er-
neute Erklärung der französischen Neutralität aus: ob später-
hin das preußische oder das französische Programm verwirklicht
wurde, war eine offene Frage geblieben, deren Entscheidung
lediglich von den Machtverhältnissen nach dem Kriege abhing.
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