1866 Preußen erklärt den Gasteiner Vertrag für gebrochen. 421
den richtigen Augenblick des Losbruchs stand noch zur Er-
wägung. General Moltke hätte sofortigen Beginn der Ope-
rationen gewünscht, da mit jedem Verzuge die feindlichen, bis
jetzt erst unvollständig gerüsteten oder versammelten Streit-
kräfte sich verstärken würden. So einleuchtend dies war, so
schien doch dem Könige ein bloßer Antrag beim Bundestage,
dessen Inhalt zwar offen feindselig, dessen Schicksal aber einst-
weilen unentschieden war, noch kein genügender Grund zur
Kriegserklärung: auch war erst abzuwarten, wie die neutralen
Mächte Osterreichs Antwort über den Congreß aufnehmen
würden. So beschränkte sich Bismarck zunächst darauf, am
3. Juni einen Protest gegen die Uberweisung der schleswig-
holsteinischen Frage an den Bundestag nach Wien zu senden,
worin er dieselbe als einen Bruch des Gasteiner Vertrags
bezeichnete, so daß fortan wieder der Gesammtbesitz beider
Mächte in beiden Herzogthümern auf Grund des Wiener
Friedens in Kraft getreten sei, Preußen Truppen nach Hol-
stein, Osterreich nach Schleswig verlegen, die Berufung der
Stände nur auf gemeinsamen Beschluß beider Regierungen
erfolgen könne.
Am 4. Juni lief die Erklärung der Neutralen ein, daß
durch Osterreichs Antwort der Congreß gegenstandslos ge-
worden sei, und Bismarck beeilte sich, noch an demselben
Tage durch ein geharnischtes Rundschreiben vor Deutschland
und Europa die Thatsache festzustellen, daß Osterreich jetzt
planmäßig den Zweck verfolge, mit Gewalt einen Bruch und
Krieg herbeizuführen. Auf Preußens versöhnliche Depesche
vom 7. Mai sei keine Antwort erfolgt, bis endlich am 1. Juni
als Erwiderung der Antrag am Bundestage erschienen sei,
beleidigend für Preußen in der Form, vertragswidrig im