1866 Kritik des Antrags. 435
veranlassen (Artikel XX); den hierauf ergangenen rechtlichen
Bescheid aber würde der Bund, bei vorkommender Widersetz-
lichkeit, durch die ihm zu diesem Ende angewiesenen Mittel
zur Vollziehung bringen. Als solche waren dann bezeichnet:
Vermittlung durch einen Bundestags-Ausschuß, Austrägal-
verfahren, Compromisse unter Gewähr des Bundes, endlich,
nach Erschöpfung aller sonstigen verfassungsmäßigen Mittel
(Artikel XXX), die Bundesexecution, unter sorgfältiger Be-
obachtung der in der Executionsordnung vorgeschriebenen
Erklärungen, Mahnungen und Termine, welche bekanntlich
mindestens ein halbes Jahr in Anspruch nahmen.
Ein solches Verfahren gegen Preußen einzuleiten, konnte
selbstverständlich nicht in Osterreichs Absicht liegen. Was es
bedurfte und von seinen Bundesgenossen begehrte, waren
weder vorläufige noch gerichtliche Maaßregeln, sondern Rüstung,
eilende Rüstung und geschwindes Schlagen gegen ein lästig
gewordenes Bundesglied, was Alles freilich durch ein Dutzend
Paragraphen des Bundesrechts verboten war. Nachdem also
der Wiener Hof am 1l. Juni dem Bundestage die Ver-
nichtung des dem Bundesrechte fremden Gasteiner Vertrags
anheim gegeben und Bundestreue und Bundesgesetz als
neueste Devise seines Banners verkündet hatte, forderte er
am 11. den Bundestag auf, zur Vertheidigung dieses bundes-
rechtlich nichtigen Vertrags alle Bestimmungen der Grund-
gesetze des Bundes mit Füßen zu treten. Der Widerspruch
zwischen der Wirklichkeit der Dinge und dem formellen Rechte
des Bundes, woran Deutschland ein halbes Jahrhundert hin-
durch gekrankt hatte, zeigte sich bei dem Todeskampfe dieser
Verfassung oder Unverfassung noch einmal in grellstem Lichte
den Blicken der Nation.
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