1864 Stellung der Parteien in der schleswig-holsteinischen Frage. 45
Im vollen Gegensatze zu dieser Partei hatte Preußen
von jeher weder jene Competenz des Bundestags, noch die
Ansprüche Augustenburg's anerkannt, sondern stets König
Christian IX. als den regierenden Herzog von Schleswig-
Holstein behandelt, gegen ihn als solchen Execution beantragt,
gegen ihn Pfandbesitz von Schleswig ergriffen, gegen ihn
wegen des Verfassungsstreits Krieg geführt und ihn im
Frieden zur Abtretung der Herzogthümer gezwungen. Ab-
gesehen von jener einzigen, sehr bald als Irrthum erkannten
Außerung Bismarck's an Bernstorff, vom 15. Mai, hatte
Preußen niemals die Berechtigung Christian's zur Thron-
folge angefochten, und betrachtete demnach sich und Osterreich
als die nicht minder berechtigten Nachfolger in dem Besitze
der Herzogthümer. Es war in seiner Auffassung ebenso
consequent geblieben wie die Bundesmehrheit in der entgegen-
gesetzten, und hatte an historischen und juristischen Argumenten
ebensowenig Mangel wie diese. Dabei hatte es die Macht,
seinen Willen geltend zu machen, und, was die Hauptsache
war, seine Forderungen entsprachen, wenn nicht den damaligen
Stimmungen, so doch den Interessen und Bedürfnissen der
deutschen Nation.
Endlich Osterreich hatte Anfangs den preußischen Stand-
punkt getheilt, im Vertrage vom 16. Januar versprochen, die
Frage nur im Einverständniß mit Preußen zu behandeln,
und zunächst sich eifrig bestrebt, dem Könige Christian den
Besitz der Herzogthümer zu erhalten. Als sich im Mai dies
unthunlich zeigte, hatte es begonnen, sich für Augustenburg
zu interessiren, und zu diesem Behuf den Mittelstaaten zu-
gesagt, die Frage nicht ohne Mitwirkung des Bundes ent-
scheiden zu lassen. Trotzdem hatte es nicht umhin gekonnt,