Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Vierter Band. (4)

46 Die preußischen Februar-Forderungen. 1864 
einige Monate später aus der Hand Christian's IX. die 
Herzogthümer zum Gemeinbesitz mit Preußen entgegen zu 
nehmen, und damit also jeder Verfügung über dieselben ohne 
Preußens Zustimmung auf's Neue entsagt. Und so unum- 
wunden hatte das Wiener Cabinet damals die Souveränität 
Christian's IX. und folglich auch die seiner Rechtsnachfolger 
anerkannt, daß es dem preußischen Hofe die Annexion der 
Herzogthümer anbot, wenn derselbe Osterreich anderweit einen 
entsprechenden Landgewinn zuwende. Erst als der König 
dies ablehnte, kam Osterreich wieder auf seine Augustenburger 
Sympathien zurück; allerdings konnte es nach allem Frühern 
nicht wohl von einem Rechtstitel des Erbprinzen reden, 
empfahl aber dem preußischen Cabinet die Einsetzung desselben 
aus verschiedenen Gründen der Zweckmäßigkeit. Seine recht- 
liche Stellung aber nahm es auf dem Boden der Bundes- 
verfassung; nach den Grundgesetzen des Bundes sei eine 
Übertragung holsteiner Hoheitsrechte an Preußen schlechthin 
unstatthaft. Die Erhaltung des Bundesrechts sei eine Lebens- 
frage für Osterreich. 
Damit sah sich Preußen vor die Alternative gestellt, 
entweder auf jeden Gewinn aus dem dänischen Kriege, auf 
jede Verwerthung Schleswig-Holsteins für die nationale 
Sicherheit und Macht zu verzichten, oder die Fesseln dieses 
erstickenden Bundesrechts mit einem gewaltigen Aufschwung 
zu zersprengen. Die schleswig-holsteinische und die deutsche 
Frage flossen zusammen. 
Einstweilen war Bismarck der Ansicht, die Gegner kommen 
zu lassen, den Angriff abzuwarten. Für's Erste hatte Preußen 
den Mitbesitz an den Herzogthümern; es konnte, so schien 
es, dort nichts geschehen, was Preußen nicht wollte; vollends
	        
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