Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Vierter Band. (4)

58 Die preußischen Februar-Forderungen. 1865 
vor sich haben; der Eine aber, welcher keinen Appetit hat 
und es nicht verzehren will, verbietet energisch dem Andern, 
welchen der Leckerbissen reizt, zuzulangen und zu schmausen. 
So warten wir denn, bis der Augenblick kommt; einstweilen 
befinden wir uns leidlich wohl in unserer Lage und werden 
sie erst ändern, wenn man uns befriedigende Bedingungen bietet. 
Karolyi unterbrach hier diese Auslassung mit der Bemer- 
kung, daß Osterreich und Preußen nicht allein in Deutschland 
ständen. Bayern würde höchstens bis Ende Februar mit 
seinen Anträgen warten, und Osterreich käme dann un- 
abweislich in die Lage, sich auszusprechen und sogar seine 
Correspondenz mit Berlin vorzulegen, um darzuthun, daß 
nicht der Wiener Hof an der Verzögerung Schuld sei. Wir 
werden, sagte Bismarck lächelnd, Euch gerne das Zeugniß 
geben, fleißige Mahner gewesen zu sein. Die Vorlage der 
Correspondenz fürchten wir nicht, sie wird dem preußischen 
Volke zeigen, wer uns an der Wahrung der preußischen In- 
teressen zu hindern sucht; auch sonst in Deutschland stehen 
wir nicht vereinzelt, und es ist sehr die Frage, ob ein baye- 
rischer Antrag, selbst wenn Osterreich ihn unterstützt, die 
Mehrheit erlangen wird. Mit gesteigertem Nachdruck fuhr 
er dann fort: wenn Ihr Bayern nicht zurückhaltet, so wird 
daraus Folgendes entstehen: 
in jedem Fall eine wirkliche Verschleppung der Lösung, 
denn abgesehen davon, daß am Bunde nichts schleunig er- 
ledigt werden kann, würden auch wir dann mit unsern 
Brandenburger Erbansprüchen hervortreten, was neue Ver- 
wicklungen hervorrufen müßte — 
falls aber Bayern in der That die Mehrheit gewänne, 
so würde ein Conflict zwischen Preußen und dem
	        
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