Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Vierter Band. (4)

1865 Holsteiner Particularismus. 87 
eine neue Epoche des europäischen Völkerlebens. Und ein 
solches Land sollte jetzt aufhören, zu existiren? sollte preußisch 
werden? die schleswig-holsteinische Armee, welche 1849 und 
1850 zwar unglücklich, aber ruhmreich gekämpft, sollte in 
der preußischen verschwinden? holsteinischen Männern sollte 
zugemuthet werden, im fremden Lande Garnison zu beziehen 
und mit der magern Kost preußischer Recruten vorlieb zu 
nehmen? Ein einmüthiges Nein und abermals Nein antwortete 
diesen Fragen. Ein festgewurzelter, zäher Particularismus 
stellte sich hier Bismarck's deutschen Gedanken in den Weg. 
Diese Stimmungen waren allerdings nicht gleichmäßig 
in den Herzogthümern verbreitet; sie waren stärker in Hol- 
stein als in Schleswig, und wieder stärker in den städtischen 
als in den bäuerlichen Kreisen vorhanden. Das Letztere hatte 
seinen einfachen Grund in dem Umstande, daß in dem bisherigen 
Staatswesen das platte Land die Lasten getragen, die Städte 
aber die Vortheile genossen hatten, daß also jenes mit geringerer 
Besorgniß als diese einer Anderung des Zustandes entgegen- 
sah. Der Grundbesitz lieferte durch verschiedene Realsteuern 
ungefähr drei Achtel des Staatseinkommens; die ritterschaft- 
lichen Güter erfreuten sich dabei einiger, immerhin geringfügiger 
Erleichterungen, hatten dafür aber in jenem Augerblick die 
Aussicht, bei der Erstattung der deutschen Kriegskosten zu 
gewaltigen Beiträgen herangezogen zu werden, was bei der 
preußischen Annexion in Wegfall käme; jedesfalls war die 
Grundsteuer ungefähr doppelt so hoch wie in Preußen. Dagegen 
lebte bisher das Bürgerthum in den Städten beinahe steuer- 
frei; Gewerbesteuern, so wie Abgaben vom beweglichen Ver- 
mögen existirten nicht; es gab nur eine Gebäudesteuer von 
unerheblichem Betrag. Wie die Steuer-, wurde auch die
	        
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