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Cehrern liegen, vor allem daraus zu erklären, daß man die Reformen
mit den vorhandenen dürftigen Einrichtungen nicht verwirklichen
kann. Man kann 70, 80 und mehr KNinder bei bloßem Buchunter-
richt, beim Lesen, Schreiben, Kufsagen und Sprechen notdürftig zu-
sammenfassen, wenn auch ein eigentlicher Unterricht nicht möglich
ist, aber man kann keine Krbeitsschule mit diesen Kindermassen be-
treiben. Pestalozzi ist an der Tradition und an den ungenügenden
Mitteln gescheitert, und auch wir kämpfen bisher ohne durchschlagen-
den Erfolg gegen dieselben Widerstände an. Die Dolksschule blieb
bis heute im wesentlichen Buchschule, und sie wird es bleiben,
wenn nicht ihre ganze Einrichtung und Elsstattung eine andere
wirdi#9.
Dolksunterricht und Volkswirtschaft sind nicht zu trennen. Die
Schulräte sollten darum bei ihren Revisionen öfter den Jabriken und
handelshäusern als den Pfarrhöfen Besuche abstatten. Die zukunft
der Schule liegt in der rechten Erfassung und Erfüllung ihrer dies-
seitigen KQufgaben. Die Welt ist größer geworden, und darum darf
die Schulstube und der horizont des Unterrichtswesens nicht enger
werden. Die Millionen, die auf deutschem Boden mit dem Nopf
mehr als mit der hand erwerben müssen, werden um ihre Jukunft
betrogen, wenn man ihnen nicht Lehrer und Schulen gibt, in denen
sie arbeitsfreudige und arbeitstüchtige Menschen werden.
Kber ob diese Lebensfragen und TLebensforderungen gesetzlich
formuliert und als gesetzliche Jorderungen in den Entwickelungsstrom
der pädagogischen Ideen hineingestellt werden können und dürfen
oder auch nur als Dorschriften der Unterrichtsverwaltung die Schule
von außen her umgestalten sollen, ist damit doch nicht ohne weiteres
entschieden. Ich bin nicht in der Lage, die Srage mit Ja oder Nein
zu beantworten. Einmal von dem Wunsche beseelt, so möchten
Unterricht und Schuleinrichtungen im ganzen Volke werden, anderer-
seits erfüllt von der Überzeugung, daß Ideen und ihre Anwendung
1) J. Aews, Die erziehliche Knabenhandarbeit in ihrer Bedeutung für
die deutsche Dolkswirtschaft. Leipzig, Quelle & Meuer, 1911.