Full text: Tirpitz, Erinnerungen. Volksausgabe.

Erwägungen um die Jahreswende 1915·156 105 
vermieden würden. Daher Befehl, jede Art Ubootskrieg an West- 
küste und Kanal einzustellen, in der Nordsee nur Ubootskrieg nach 
Prisenordnung zu führen. Praktisch gänzliches Aufhören jeder Uboots- 
verwendung. 
So weit die Eindrücke von der Flotte aus. Ordre, Kontreordre, 
Desordre! 
Wenn man diese Befehle und Gegenbefehle mustert, die zum Teil 
unausführbar waren, und ferner den Umstand bedenkt, daß sie erst 
durch die verschiedenen Kommandos an die einzelnen Ubootskomman- 
danten gelangten, so wird man verstehen können, welche Verwirrung 
und Erbitterung sich bei diesen herausbilden mußte durch das un- 
aufhörliche und sich oft widersprechende Eingreifen der politischen Lei- 
tung und des Kabinetts. Eigene Tatkraft, Auffassung der Kameraden 
und wohl auch diejenige der unmittelbaren Vorgesetzten drängten zur 
Leistung. Bestrafung und Kriegsgericht drohten den tapferen Uboots- 
kommandanten, wenn sie die unklaren Befehle mißverstanden oder 
irgendwelche politischen Schwierigkeiten sich zeigten. 
Wie anders hat England in ähnlichen Fragen der Seemacht ver- 
fahren! Seit Jahrhunderten gilt dort der Grundsatz, daß alle Hand- 
lungen der britischen Seeoffiziere nach außen gedeckt wurden, wenn 
sie nur energisch waren. 
— 
Im Dezember 1915 wurde zwar die österreichische Regierung, 
die im „Ancona“-Fall einen bemerkenswerten und wohlbegründeten 
Achtungserfolg über Wilson davongetragen hatte, durch das deutsche 
Auswärtige Amt zum Pater peccavi veranlaßt. Ungefähr gleichzeiti 
aber war in der Auffassung der deutschen Heeresleitung bezüglich 
des Ubootskrieges eine Änderung eingetreten. Die Armeefronten waren 
erstarrt und eine Entscheidung des Krieges immer schwieriger geworden. 
Wohl unter diesem Eindruck fanden auf Ersuchen der Heeresleitung 
am 30. Dezember 1915 und am S. Januar 1916 Sitzungen über 
den Ubootskrieg im Kriegsministerium statt. General v. Falkenhayn 
teilte mit, daß, nachdem Bulgarien jetzt auf unsere Seite getreten 
wäre, er den unbeschränkten Ubootskrieg annehmen wollte, wenn die 
Marine Erfolg gewährleiste. Falkenhayn hatte — nach seiner An- 
gabe — im Herbst 1915 den Reichskanzler in der Bekämpfung des 
13“
	        
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