Full text: Tirpitz, Erinnerungen. Volksausgabe.

80 Unter dem Kaiser 
langen. So mußte ich einmal sogar den Erfinder eines Perpetuum 
mobile, den der originelle alte Admiral Reinhold Werner dem Kaiser 
empfohlen hatte, empfangen und seine „Maschine“ vorführen lassen, 
bis der vom Kaiser dazugeladene Emil Rathenau dem Wundermann 
seinen Nimbus nehmen durfte. 
Ohne den Kaiser wäre die Entfremdung Deutschlands von der 
See und den mit ihr verbundenen Interessen und Kulturaufgaben 
nicht überwunden worden; das bleibt sein geschichtliches Verdienst. 
Auch sonst haben seine Anregungen vielfach Nutzen gestiftet. Nachteile 
nach außen waren die große Betonung von Zielen und Erfolgen und 
im Innern das dauernde Zusammentreffen persönlicher Betätigungs- 
triebe mit den eigentlichen Aufgaben der Landbehörden und der Flotte. 
Das Reichsmarineamt hatte neben seiner übergroßen Arbeit noch häufig 
die Pflicht, Vorkonstruktionen auszuarbeiten für Entwürfe des Kaisers, 
die vielfach an inneren Widersprüchen litten. In den letzten Jahren 
vor dem Krieg war dem Kaiser beispielsweise bekanntgeworden, in 
wie hohem Grade die verbesserte Schießleistung auf See und die großen 
Schießweiten moderner Geschütze es den Torpedobooten erschwerten, 
in der Tagschlacht an den Feind heranzukommen. Er begeisterte sich 
nun für ein Idealschiff, welches schwer gepanzert, schnell und mit 
vielen Torpedorohren armiert wäre, um den Torpedobooten ihre Auf- 
gabe abzunehmen. Abgesehen davon, daß Schnelligkeit und schwere 
Panzerung bei einem großen Schiff in starkem Wettbewerb stehen, 
hätte die unter Wasser anzulegende Torpedoarmierung die Maschinen- 
und Kesselräume großenteils weggenommen. Die Konstruktionsbedingun- 
gen fraßen sich gegenseitig auf. Wir machten uns aber dem erhaltenen 
Befehl gemäß an die Arbeit, und bei der Unmöglichkeit eines brauch- 
baren Ergebnisses entstand in der Behörde für dieses Projekt der 
Name Homunculus. Als ich dann in Rominten Gelegenheit hatte, 
die Entwürfe vorzulegen und zu erläutern, verzichtete der Kaiser auf 
seinen Gedanken und nahm meine Begründung an. Ich erhielt zur 
Belohnung die Erlaubnis, einen Hirsch zu schießen, so daß ich die 
Klärung der Atmosphäre meinem sorgenvoll in Berlin sitzenden Chef 
der Zentralabteilung mit den Worten melden konnte: „Hirsch und 
Homunculus tot.“ Bei der lebhaften Jagdneigung des Monarchen war 
die Erlaubnis, einen Hirsch zu schießen, eine sehr große Auszeichnung. 
Der Kaiser hatte überhaupt das Bedürfnis zu schenken und anderen
	        
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