Full text: Auswahl für das Feld.

Wohl hielt die Stadt noch so streng wie nur der Orden selber auf 
deutsches Wesen, wehrte allem undeutschen Blute den Eintritt in 
die Zünfte. Rechtspflege und Verwaltung waren nach moderner 
Weise getrennt, jene geübt von dem Stadtschultheißen und seinen 
Schöppen, diese in den Händen von Bürgermeister und Rat; die 
Verfassung aristokratisch, doch so, daß für wichtige Entschlüsse die 
Zustimmung der Zünftler eingeholt ward. Aber schon geschah, daß 
die Zünftler in jähem Aufruhr aus ihrem Gemeindegarten lärmend 
vor den prächtigen Artushof der Stadtjunker zogen, und schon 
jetzt ward in dem Junkerhofe dann und wann der kecke Plan be— 
sprochen, die Stadt von dem gestrengen Orden loszureißen. Denn 
hatte der Orden auch ein einheitliches Handelsgebiet geschaffen und 
niemals Binnenzölle aufgelegt, so erhob er doch ein Pfundgeld von 
der Einfuhr. Ja, er ward jetzt selber ein großer Kaufherr und 
verfeindete sich also den monopolsüchtigen Geist der Hansa; er be— 
gann, gestützt auf päpstliche Dispense, einen ausgedehnten Eigen— 
handel, vornehmlich mit dem Bernstein, den außer den Dienern des 
Ordens niemand aufsammeln durfte. Er beanspruchte oft ein Vor- 
kaufsrecht auf die Einfuhren seiner Städte, band sich selber nicht 
an die Getreideausfuhrverbote, die er zuweilen für sein Land erließ, 
und trieb den Kornhandel so schwunghaft, daß einmal 6000 Last 
Roggen allein auf sieben Ordensburgen aufgespeichert lagen. Seine 
Handelsagenten residierten in Brügge, in den preußischen Städten 
und in dem Mittelpunkte des polnischen Verkehrs, Lemberg. 
Nur im Zusammenhange mit diesen hansischen Verhältnissen läßt 
sich des Ordens baltische Politik begreifen. Auch Estland, dessen 
Ritterschaft der Orden schon längst durch einen Bund an sich ge— 
kettet hatte, wurde endlich ganz für den Ordensstaat gewonnen 
(1346), als der Meister von Livland dem Dänenkönige beistand 
gegen einen gefährlichen Aufstand der estischen Bauern und dann 
— nach der alten geistlichen Politik — eine unerschwingliche Ent— 
schädigung für die Hilfe forderte. So war dem Orden die Küste 
vom Peipussee bis zur Leba dienstbar, und alsbald begann er die 
Befriedung der See, schuf sich eine Seemacht als der Schirmherr 
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