Full text: Auswahl für das Feld.

schien es in der Tat, als solle sich das knechtische Wort erfüllen, 
das damals aus Dorpat dem Kaiser zugerufen ward: „denn ewig 
ist des Schicksals Wille: wo Russen kommen, wird es stille“. Unter 
seinem milderen Nachfolger erschienen der deutschen Gesittung glück— 
lichere Jahre. Das Volk begann zurückzukehren zu der in Torheit 
verlassenen lutherischen Landeskirche; auf der durch Alexander I. 
wiederhergestellten Landesuniversität blühte die deutsche Wissenschaft 
kräftig und ungestört; das deutsche Schulwesen schritt langsam vor, 
das Verhältnis zwischen Herren und Bauern gestaltete sich erträg- 
licher. Aber seitdem sind neue Zeiten der Bedrängnis gekommen: 
neue dreiste Ubergriffe einer verblendeten moskowitischen Partei, 
welche gradeswegs darauf ausgeht, das alte baltische Landesrecht 
zu vernichten und an dem Gleichheitsfanatismus dieser demokratischen 
Tage, an dem wiedererwachten Nationalgefühl der Letten und Esten 
mächtige Bundesgenossen findet. Jedenfalls bleiben die russischen 
Ostseeprovinzen unter allen Kolonien unseres Volkes die am meisten 
gefährdete: eine schwache Minderzahl von Deutschen, etwa 200000 
Köpfe unter einer Gesamtbevölkerung von nahezu zwei Millionen, 
erwehrt sich hier mühselig, unter den schwierigsten Verhältnissen, 
übermächtiger fremder Gewalten, und findet doch noch die Kraft, 
alljährlich Männer deutscher Bildung in das innere Rußland zu 
senden. — 
Im königlichen Preußen ward allein Danzig der neuen Herr- 
schaft froh. Im Alleinbesitze des polnischen Handels sah der Stadt- 
adel, von den Woiwoden begünstigt, seinen Reichtum herrlich gedeihen. 
Weithin erklang der Ruhm der Stadt, als ein Danziger, Johann 
von Kolno, die Hudsonstraße und die Küste von Labrador entdeckte. 
Zur selben Zeit, in den Kriegen der beiden Rosen, flammte der 
deutsche Nationalstolz der Danziger noch einmal hoch auf; der preu- 
hische Held der Hansa, Paul Beneke, trieb auf der See die Eng- 
länder zu Paaren und brachte reiche Beute heim, darunter jenes 
köstliche Gemälde, „das jüngste Gericht“, welches noch heute als 
„das Danziger Bild“ in hohen Ehren bewahrt wird. Den Verrat 
an Deutschland belohnte der Hof von Krakau anfangs durch reiche 
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