salswandlungen, die über Völkerleid und Völkergröße entscheiden,
boten seinem dramatischen Genius den natürlichen Boden. Auch
seine kleineren Gedichte verweilten mit Vorliebe bei den Anfängen
des Staatslebens, veranschaulichten in mannigfachen geistvollen
Wendungen, wie der heilige Zwang des Rechts die friedlosen
Menschen menschlich aneinander bindet, wie die rohen Seelen zer—
fließen in der Menschlichkeit erstem Gefühl. Schöner als in dem
Liede von der Glocke ist die Verkettung des einfachen Menschen—
lebens mit den großen völkererhaltenden Mächten des Staates
und der Gesellschaft niemals geschildert worden.
Wie tief er auch seine „prosaische“ Zeit verachtete, wie stolz er
auch jeden Versuch tendenziöser Dichtung von sich wies, dieser
ganz auf die historische Welt gerichtete Geist war doch erfüllt von
einem hohen politischen Pathos, das erst die Nachlebenden völlig
begreifen sollten. Es war kein Zufall, daß er sich so lange mit
dem Gedanken trug, die Taten Friedrichs in einem Epos zu be—
singen. Als die Deutschen selbst zur Befreiung ihres Landes sich
rüsteten, da ward ihnen erst das farbenglühende Bild der Volks-
erhebung in der Jungfrau von Orleans recht verständlich; als sie
unter dem Drucke der Fremdherrschaft sich wieder auf sich selber
besannen, da würdigten sie erst ganz die Größe des Dichters, der
ihnen in seinen beiden schönsten Dramen die vaterländische Ge-
schichte so menschlich nahe gebracht hatte. Die entsetzlichste Zeit
unserer Vergangenheit gewann durch seine Dichtung ein so frisches,
freudiges Leben, daß der Deutsche sich noch heute im Lager Wal-
lensteins fast heimischer fühlt, als unter friderizianischen Soldaten;
aus den Kämpfen der handfesten deutschen Bauern des Hochge-
birges gestaltete er das verklärte Bild eines großen Freiheitskrieges
und legte alles darin nieder, was nur ein hoher Sinn über die
ewigen Rechte des Menschen, über den Mut und Einmut freier
Völker zu sagen vermag. Der Tell sollte bald für unser politi-
sches Leben noch folgenreicher werden als einst Klopstocks Barden-
gesänge. An diesem Gedichte vornehmlich nährte das heranwach-
sende Geschlecht seine Begeisterung für Freiheit und Vaterland;
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