Full text: Das Interregnum.

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einer Wahl des Volkes oder der Volksvertretung hervorgehen müsse.) 
Dieser Satz ist zwar nicht, wie sich ein älterer Schriftsteller aus- 
drückt?), die „alleralbernste Schmeichelei‘‘ dem grossen Haufen 
gegenüber, er ist aber doch in seiner Allgemeinheit nicht richtig. Am 
unrichtigsten ist er jedenfalls dann, wenn man ihn, wie häufig ge- 
schehen, so verstanden wissen will, als ob das Volk ein Recht 
auf die Wahl des neuen Fürsten habe; das Volk als solches ist 
kein Subjekt, dem ein Recht zustehen könnte. Aber auch ab- 
gesehen davon erfolgt die Bestimmung des neuen Staatshaupts hier 
wie im Interregnum der oben genannten Erbmonarchien und wie 
überall beim Vorhandensein des Monarchen, wenn die Dynastie aus- 
zusterben droht, durch ein Gesetz.?) Wenn nun allerdings, wie in 
der konstitutionellen Monarchie, das Volk durch das Mittel eines Re- 
präsentativkörpers an der Gesetzgebung neben dem Monarchen be- 
theiligt ist, da wird der Volksvertretung der Erlass des Thronfolge- 
gesetzes hier, wo kein Monarch vorhanden ist, allein zustehen; denn 
man wird nach Analogie der oben angeführten Verfassungsbestim- 
mungen der provisorischen Regierung auch hier eine entscheidende Mit- 
wirkung bei der Thronbesetzung mit Rücksicht daraufversagen müssen, 
dass diese letztere eine Verfassungsänderung enthält und eine solche 
der Willkür eines Vikars nicht überlassen bleiben darf, — nur das 
Recht und die Pflicht, den Monarchen vorzuschlagen, also das Thron- 
folgegesetz einzubringen, wird man der provisorischen Regierung zu- 
erkennen müssen. Auch hier müssen, soweit nicht das Fehlen des 
Monarchen Modifikationen bedingt, bei der Wahl die besonderen gesetz- 
lichen Bestimmungen beobachtet werden, die für Verfassungsände- 
rungen erlassen sind. Nach alledem also erscheint äusserlich betrachtet 
die Bestimmung des neuen Fürsten im Interregnum der konstitutio- 
nellen Monarchie als Wahl des Volkes. Wo aber, wie in der ab- 
soluten Monarchie, eine Mitwirkung des Volkes in irgend welcher 
Organisation bei der Staatswillensbildung unbekannt ist, da kann, 
wenn es richtig ist, dass der neue Monarch durch das Gesetz be- 
rufen wird, von einer Wahl des Herrschers durch das Volk über- 
  
1) So v. Dresca, Abhandlungen über Gegenstände des öffentlichen Rechtes 
S. 226f.; KLüser, Oeffentliches Recht des teutschen Bundes, § 247 zu Noteg; 
Weıss, System des teutschen Staatsrechts § 247; ZoeprL, Grundsätze des gemeinen 
deutschen Staatsrechts I. § 260; v. Rönne, Staatsrecht der preussischen Monarchie 
1.8.169f., Scauzze, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts I. § 105 und Preussisches 
Staatsrecht 1. § 61. 
2) Scumauz, Teutsches Staatsrecht § 279 in der Note. 
3) Richtig GroTErEnD, Das deutsche Staatsrecht der Gegenwart S. 373.
	        
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