302 254. Ludwig I., König von Bayern.
er auf der Stange, als ob er sich noch über den Tod seines
Herrn betrübte, wie etwa ein alter Diener, wenn nach dem
Tode seiner Herrschaft das Hausgeräthe fortgeschafft wird,
unter dem er alt und grau geworden war, stumm umhergeht
und sich grämt, daß er das alles überlebt. Als nun der
alte, unscheinbare Vogel unter den Hammer kam, bot niemand
darauf, und nachdem ihn der Ausrufer drei= oder viermal
angeboten hatte und alles schwieg, wurde der Käfig mit dem
Staare in eine Ecke bei Seite gesetzt und wurden andere Dinge
ausgerufen. Auf einmal schallt es in der Ecke: „Max Joseph,
Vater Maxl“ — Alle Köpfe wendeten sich um nach der
Seite hin, woher der Ruf kam. „Wer ist's? Wer ruft?
fragten viele; und da einer, der dem Käfig zunächst stand,
sagte: „Es ist der Staar, der weggesetzt worden ist,“ da
riefen Alle wie aus einem Munde: „Den Staar, den Staar
her!“ So kam der unscheinbare Vogel mit einem Male zu
Ehren, weil es eben jedem vorkam, als habe die treue
Liebe, die er selbst im Herzen hegte, durch den Vogel eine
Stimme bekommen. Der Staar selbst aber, da Alles um
ihn her lebendig wurde, und alle Anwesenden ihn liebkosten
und lobten, wurde nun auch ganz munter und rief in einem
fort: „Max Joseph! Vater Max!“" nicht, wie man zu sagen
pflegt, als ob er dafür bezahlt würde, sondern so recht aus
vollem Herzen. Da wollte nun Jeder den beredt gewordenen
Vogel haben, und die Gebote jagten und überstiegen sich,
so daß wohl nie ein Staar so theuer bezahlt worden ist.
Und der, welcher ihn endlich erhielt, meinte, einen Sieg
gewonnen zu haben, und trug ihn im Triumphe nach Hause,
und die andern beneideten ihn. Das war denn auch
eine Leichenfeier von eigenthümlicher Art, und gewiß keine
der schlechtesten.
251. Ludwig I., König von Bayern (1825 — 1848).
Ludwig l. war geboren am 25. August 1786. Er
erhielt eine sorgfältige Erziehung, studirte in Landshut
und Göttingen und machte grolse Reisen nach ltalien,
Frankreich und Spanien, wodurch seine Liebe zur Kunst
geweckt und genährt wurde. Als Kronprinz lebte er
abwechselnd in Salzburg. Innsbruck, Würzburg und
Aschaffenburg und widmete sich fast ausschlielslich den
Künsten und Wissenschaften. In seinem Privatleben spar-
sam, konnte er schon damals beträchtliche Summen auf