Full text: Verfassung und Verwaltungsorganisation der Städte Königreich Sachsen (Vierter Band Erstes Heft)

Chemnitz. 169 
Bevölkerung nach Maßgabe ihrer Interessen am Gemeinwesen und ihrer 
Bedeutung für dieses wahlberechtigt und eröffnet den einsichtigsten und tüch- 
tigsten Männern die Aussicht, gewählt zu werden. Weit entfernt, pluto- 
kratisch zu sein, trägt es insbesondere auch den Anforderungen Rechnung, 
welche die Arbeiterschaft nach ihren geldlichen Leistungen für die Gemeinde 
hinsichtlich ihrer Beteiligung an der Stadtverwaltung billigerweise stellen 
kann, und gewährleistet den dem Arbeiterstande angehörigen Bürgern unter 
allen Umständen eine angemessene Vertretung im Stadtverordnetenkollegium 
insofern, als sie in der Lage sind, die Stellen der Abteilung B mit Ab- 
geordneten ihres Mittels zu besetzen. Die Erfahrungen, die mit dem neuen 
Wahlrechte gemacht worden sind, sind durchaus befriedigend, und es darf 
angenommen werden, daß es den Interessen und den berechtigten Wünschen 
aller Bürger und Berufsstände tatsächlich gerecht wird. Es muß auch an- 
erkannt werden, daß die — sämtlich sozialdemokratischen — Vertreter der 
Abteilung B sich eifrig und in zufriedenstellendem Einvernehmen mit den 
übrigen Mitgliedern an den Geschäften der Stadtverordneten beteiligen. 
Die Verlängerung des Wahlzeitraumes von drei auf sechs Jahre hat 
sich ebenfalls bewährt. Die Wahlkämpfe, die vordem oft mit großer Schärfe 
geführt wurden und leicht gegenseitige Erbitterung erzeugten, finden nur 
noch in jedem zweiten Jahre statt und sind ruhiger und sachlicher geworden. 
Gemeindliche Parteien im eigentlichen Sinne gibt es nicht, von der 
Sozialdemokratie abgesehen, deren Vertreter im Stadtverordnetenkollegium 
sich natürlich an die Ansichten ihrer Partei, auch soweit sie sich auf die 
Gemeindeverwaltung beziehen, für gebunden erachten. Von einem unmittel- 
baren Einfluß der politischen Parteien auf die Stadtverordneten und 
ihre Amtsausübung kann, wieder mit derselben Ausnahme, nicht gesprochen 
werden, wenngleich gewisse, die Bürgerschaft besonders interessierende Fragen 
des Gemeindelebens bisweilen zum Gegenstand der Besprechung und Be- 
schlußfassung in Parteiversammlungen gemacht werden. Wohl aber suchen 
die politischen Parteien bei Aufstellung der Kandidaten für die Stadt- 
verordnetenwahlen ihren Einfluß geltendzumachen. Zumeist geschieht das im 
Wege der Verhandlung mit den anderen Parteien und im Schoße eines 
Ausschusses, den Vertreter der maßgebenden politischen (bürgerlichen) Parteien 
sowohl als auch gewisser unpolitischer Vereinigungen bilden. Unter den 
letzteren sind die städtischen Bezirksvereine zu nennen, ferner die Vereinigungen 
der Volksschullehrer und der Lehrer an den höheren Lehranstalten, der Haus- 
besitzerverein, sowie die Innungen und besondere Wahlvereine für einzelne 
Wahlabteilungen. Die von diesem „Bürgerwahlausschusse“ aufgestellte Liste 
geht außer in der Abteilung B meist glatt durch, wenn auch Versuche, durch
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.